Chéticamp, Cape Breton Island – Ein Elch im Schnee

Sturm! Die Kabine schwankt hin und her, man muss aufpassen, nicht seekrank zu werden. Draußen fliegt mir fast die Perücke weg. Über den Canso Causway, einen Damm, fahren wir nach Cape Breton Island. Geschwindigkeitsbegrenzungen in Kanada sind teils recht optimistisch. In den meisten Fällen gibt die jeweilige Maximalgeschwindigkeit an, wie schnell man tatsächlich fahren kann. Wir kurven auf einer hügeligen, engen Straße herum, die vom Frost zerfressen und vom Regen halb weggespült ist. Die 80 km/h scheinen da geringfügig übertrieben.

Noch eine Besonderheit ist die immer wiederkehrende Frage nach der Mileage, also wie viele Meilen das Auto mit einer Gallone Diesel (oder Benzin) fahren kann. Die Antwort sollte man parat haben. Die ältere Generation ist mit dem englischen Maßsystem aufgewachsen, die jüngere hat bereits die metrischen Einheiten gelernt. Demzufolge werden alle Maße zu unserer Verwirrung bunt durcheinander verwendet. So sind in einer Packung Karotten zwei US-Pfund, der Inhalt ist aber – korrekterweise – mit 908 g angegeben. Diesel gibt es literweise zu kaufen, aber in einer Flasche Bier sind 341 ml.

Die Westküste Cape Breton Islands mutet irisch an. Sanfte Hügel, raue Küste. Bei Sturm branden Wellen gegen die Felsen, dass die Gischt bis zur 50 m höher liegenden Straße hoch spritzt. Im Cape Breton Highlands National Park erstehen wir eine Jahreskarte für alle Nationalparks und Historic Sites, das kommt auf Dauer günstiger als jedes Mal Eintritt zu zahlen. Bestückt mit Informationsmaterial und Verhaltensanweisungen für Bär-, Coyoten- und Elchbegegnungen fahren wir in die Highlands. Auf 500 m Höhe stecken wir mitten in den Wolken und es schneit dicke Flocken bei 3°. Am Straßenrand liegt Schnee. Dank der Einweisung am Infocenter sind wir vorbereitet: Unser erster Elch! Er trottet über die Straße – Elche lieben aus unerfindlichen Gründen die Straße, wie uns gesagt wurde – und schlägt sich ins Gebüsch. Dort wartet er, so ganz geheuer ist ihm das große Auto nicht. Als unsere Druckluftbremsanlage sich entlüftet, erschreckt er sich vollends, bäumt sich kurz auf und galoppiert davon. Für ein paar Fotos hat es immerhin gereicht.

Wir verlassen den Nationalpark und fahren an die Nordspitze der Insel. In Clapstick klopfen wir an Melvins Haustür und fragen, ob wir eine Nacht auf seiner Wiese stehen können. Dürfen wir. Melvin war Pipelineschweißer in Alaska gewesen und scheint jetzt ein entspannteres Leben zu führen. Er gibt uns ein Schild mit, das er hat anfertigen lassen, das aber den Weg nach Watson Lake in Alaska nicht geschafft hat. Dort nageln die meisten Reisenden ihre Nummern- oder Ortsschilder an. Wir versprechen, es zu befestigen, wenn wir dort vorbeikommen.

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