Moncton, New Brunswick – Wo Autos bergauf rollen

Am Magnetic Hill in Moncton rollen Fahrzeuge angeblich rückwärts bergauf. Man fährt einen Hügel zunächst bergab. Am Ende bleibt man stehen und legt den Leerlauf ein. Das Auto beginnt zu rollen, und zwar rückwärts und scheinbar bergauf. Ein Blick in den Spiegel suggeriert, dass einem der Bach neben der Straße entgegen fließt. Da vieles nicht so ist wie es scheint, hat auch der Magnetic Hill keine geheimen magnetischen Kräfte. Wer es selbst ausprobieren möchte, zahlt ziemlich sonnlose fünf Dollar dafür. Den Gag war es trotzdem wert. Der ganze Kommerz drum herum mit Zoo, Souvenirshop und einer importierten überdachten Brücke macht es allerdings nicht besser.

Der Petitcodiac River in Moncton mündet in die Bay of Fundy, das Meerbecken mit dem höchsten Tidenhub der Welt, das wir schon auf der neuschottischen Seite besucht hatten. 100 Billionen Tonnen Wasser werden zwei Mal täglich in die Bucht hinein gedrückt. Obwohl etwa 50 km in Landesinneren gelegen, beträgt der Tidenhub hier noch sechs Meter. Alle 12 Stunden rollt die Flutwelle das schlammbraune Flussbett hoch und füllt es innerhalb einer Stunde. Wir sind hier, als das Wasser bereits da ist. Auf die nächste Flutwelle zu warten lohnt dann aber doch nicht.

Genau zum richtigen Zeitpunkt kommen wir an den Hopewell Rocks oder Flowerpot Rocks in Hopewell Cape an. An der Mündung des Petitcodiac Flusses in die Fundy-Bucht hat sich der Gezeitenstrom tief in eine Bucht hineingefressen und dunkelrote pilzförmige Felsen hinterlassen. Die an der Oberseite mit Bäumen und Sträuchern bewachsenen Steine ragen bei Flut wie Blumentöpfe aus dem Wasser. Bei Ebbe gelangt man über eine Treppe in die Bucht und kann zwischen den überdimensionalen Blumentöpfen herumlaufen. Wir fotografieren bei Flut und bei Ebbe. Der Tidenhub am heutigen Tag beträgt 12 Meter – ein wirklich spektakuläres Ereignis!

Immer wieder ein Anlass zum Nachdenken ist für mich die Bekleidung von Touristen. Mir fällt eine junge, durchaus nicht unterernährte Frau in hautengen Leggins mit einer riesigen Sonnenbrille auf, die ihr halbes Gesicht bis zur Oberlippe bedeckt. Was beides völlig in Ordnung geht. Nachdenklich stimmen mich die Glitzerschlappen, mit denen sie durch den Schlamm watet. Die Parkverwaltung weist ausdrücklich auf das Tragen geeigneten Schuhwerks wie Wander- oder Turnschuhen hin. Noch mehr zu denken gibt mir die gigantische Handtasche, die sie am Arm mit sich rum trägt. Die ist so groß, dass man darin ein halbes Schwein unterbringen oder auch seinen deutschen Schäferhund Gassi tragen könnte. Was zum Teufel macht sie mit der unförmigen Tasche beim Wandern? Schade, ich muss mich damit abfinden: Ich werde es wohl nie erfahren.

Auf dem Parkplatz trinken wir einen Kaffee mit Edith und Franz aus Bayern. Die beiden überführen ein Wohnmobil in vier Wochen von Vancouver nach Halifax. Nur eine halbe Stunde später halten wir auf einem Parkplatz an, weil ein ungewöhnlicher Mercedes Truck unsere Aufmerksamkeit erregt. Noch ein deutsches Pärchen, das mit einem individuell gefertigten Wohnmobil durch Kanada tourt. Drei, vier Monate sollen es werden. Richtung Westen ist die gleiche wie unsere, vielleicht trifft man sich unterwegs wieder.

Am Abend durchqueren wir den landschaftlich reizvollen Fundy National Park, eines der 531 Biosphären-Reservate der UNESCO. Hinter einem kleinen Supermarkt mit Tankstelle befindet sich ein schöner Stellplatz unter Bäumen. Ob wir wohl über Nacht hier bleiben dürfen? Natürlich, und die Picknickbank können wir auch benutzen.

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