Le Bic, Québec – Panische Eiderküken und ein Fünf-Sterne-Kuhstall

Der St.-Lorenz-Strom gilt weltweit als einer der besten Walbeobachtungsspots. Klares Wasser aus den großen Seen im Grenzgebiet von Kanada und den USA sammelt sich im St.-Lorenz-Strom, mündet im St.-Lorenz-Golf und schließlich in den Atlantik. Am Unterlauf der Mündung sinkt die Wassertiefe schlagartig von 340 auf unter 40 Meter. Nährstoffreiches Wasser wird an die Oberfläche gepresst und gibt Plankton und damit vielen anderen Meeresbewohnern Nahrung bis weit in den Atlantik hinein.

Der Parc National du Bic ist ein Naturschutzgebiet direkt am St.-Lorenz-Strom mit etlichen Buchten, Felsen, Inseln und Salzmarschen. Wir haben Glück und können Seehunde und die scheuen Eiderenten beobachten. Wie in der Vogelwelt üblich, sind nur die Männchen prächtig gefärbt in weiß, schwarz und gelb. Eine dicht gedrängte Gruppe von 14 neutralfarbenen Entenmüttern und einer nicht näher zu bestimmenden Anzahl winziger panisch paddelnder Küken flüchtet vor uns. Bei einem Blick ins Fernglas entdeckt Jörg sogar ein paar Wale. Bei Ebbe sind wir zur Tierbeobachtung weit in die Bucht hineingewandert. Das rächt sich, als es plötzlich stark zu regnen beginnt und wir den weiten Weg zurücklaufen müssen. Nach wenigen Minuten schlackern uns die durchnässten Hosenbeine um die Waden, wenigstens die wasserdichte Jacke hält trocken. Jeans sind zum Wandern ein denkbar dummes Bekleidungsstück. In einer Region mit schnellen Wetterwechseln empfiehlt sich das Tragen wasserabweisender Wanderhosen. Es ist ja nicht so dass wir keine hätten. Wir lernen – fürs nächste Mal. Zwei Stunden später steigt die Temperatur genau so rasant von 12 auf 22°.

Die Gegend am St.-Lorenz-Strom stellt sich ausgesprochen attraktiv dar. Grüne Weiden und Laubhölzer auf der Südseite, die Berge der Laurentiden am Nordufer und hohe Baum bestandene Inseln in der Mündung. Ein Dorf reiht sich ans andere, die Häuser sind entzückend. Neben den in Nordamerika üblichen Holzhäusern wird hier viel mit Stein gebaut. Fast immer sind die Gebäude mit Giebeln, Vorbauten, Balkonen oder Terrassen geschmückt. Souvenirshops, Boutiquen, kleine spezialisierte Lebensmittelhandel oder Kunstgewerbeläden sind oft ausgesprochen liebevoll verziert, sodass schon auf weite Entfernung klar wird, was hier and den Mann oder die Frau gebracht werden soll. Manchmal steht sogar das farblich passende Auto vor einem bunten Haus: beige zu beige, blau zu blau, rot zu rot. Wenn das nicht französische Eleganz ist. Überhaupt unterscheiden sich die Fahrzeuge stark vom Rest Kanadas. Anstelle der sonst beliebten Pick-up Trucks und Geländewagen sieht man hier hauptsächlich Limousinen und Kleinwagen. Auffällig ist, neben den üblichen japanischen Marken, die Dichte deutscher Pkw aller Klassen, je nach Geldbeutel. Selbst Sportwagen sind ein echter Verkaufsschlager. Französische Fahrzeuge fehlen dagegen völlig. Woran das wohl liegen mag? Über alldem jedoch wacht die katholische Kirche. Das kleinste Dorf noch wird überragt von einer unverhältnismäßig großen Kirche, deren silber-graues Dach weit in die Umgebung mahnt.

Das wohl ungewöhnlichste Gebäude ist ein 5-Sterne-Kuhstall. Das großzügige Gebäude steht auf einem kleinen Berg am St.-Lorenz-Strom. Damit die Kühe die Aussicht entsprechend genießen können, ist der Bau deckenhoch verglast. Die wunderschönen schwarz-weißen Rinder stehen wie hinter einem Schaufenster. Bei dem Luxus wundert es nicht, dass der Liter Milch stellenweise fast vier Dollar kostet.

Aber natürlich gibt es auch das andere Québec. Hier wird weniger amerikanisch-freundlich gelächelt, dafür mehr europäisch gedrängelt. Beim Autofahren hält man sich weniger penibel an die Vorschriften. Andere Reisende berichten nicht vorbehaltlos positiv über diese Provinz. Wir erreichen um zehn nach fünf die Touristeninformation. Die beiden Mitarbeiterinnen stehen gerade vor der Türe und informieren mich, dass bereits geschlossen ist. So weit so gut. Sie fragen mich trotzdem, was ich will. Als ich ihnen erkläre, dass ich nur eine Landkarte von Québec möchte, zucken sie mit den Achseln und begeben sich zurück in ihr Büro. Tja, es ist eben schon geschlossen, sagen sie im Gehen. Was fragen sie dann erst?

Entgegenkommende Reisende sowie der Reiseführer haben uns informiert, dass Québec City Wohnmobilen das Parken nicht erlaubt. Wir haben uns bei Mélies Eltern kundig gemacht und beschlossen, auf der anderen Flussseite in Lévis stehen zu bleiben. Auch die wollen keine Wohnmobile, aber direkt neben dem Fähranleger gibt es einen 24-Stunden-Parkplatz auch für Camper. Der kostet zwar Geld, dafür können wir bis zum nächsten Abend bleiben. Der Postkartenausblick auf die Altstadt von Québec ist im Preis inbegriffen. Morgen wollen wir ohne Auto mit der Fähre nach Québec City übersetzen.

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