Montréal, Québec – Kulturschock

Heute ist Premierentag: Wir schwitzen zum ersten Mal. Zwar zeigt das Thermometer nur 25° an, aber die zwischen den Häusern gespeicherte Wärme einer Stadt fühlt sich anders an. Auf dem Weg nach Montréal stehen wir zum ersten Mal im Stau. Der Freitagsverkehr ist hier genau so dicht wie in jeder anderen Großstadt. Lissys Französisch hakt zwar gewaltig, aber heute sind wir für ihre Anwesenheit besonders dankbar. Ein schier unüberschaubares Netz von Autobahnen, Kreuzen, Ein- und Ausfahrten überzieht die Inseln im St.-Lorenz-Strom. Mit Satellitennavigation ist es schlicht einfacher. Und Arminius fährt zum ersten Mal durch eine Millionenstadt. 1,6 Millionen sollen es alleine im Stadtgebiet sein. Da auch hier Parken für Wohnmobile kaum möglich ist, steuern wir gezielt einen Parkplatz an der Marina am Vieux Port, dem alten Hafen, an. Dort dürfen wir gegen Gebühr bis zum nächsten Morgen um 6 Uhr bleiben, sind dafür mitten in der Stadt und können alles zu Fuß erkunden ohne öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Dass sich der Platz nach der letzten Vorstellung des benachbarten Cirque du Soleil, der weltberühmten Artistikshow, nur halb leert und wir anschließend bis in die frühen Morgenstunden kostenlos von Discomusik und mit lautem Radio abfahrenden Autos beschallt werden, können wir natürlich noch nicht wissen.

Der 350 Jahre alte Gründungsdistrikt Vieux Port und Vieux Montréal war früher von einer Stadtmauer umgeben, die allerdings der Expansion weichen musste. Das im letzten Jahrhundert restaurierte Viertel besitzt historischen Charme. Unzählige Restaurants, Galerien, Maler, Antiquitäten-, Kunst- und Teppichgeschäfte haben sich hier angesiedelt. Noch hält sich die Anzahl der flanierenden Touristen in Grenzen, aber ab dem nächsten Monat soll sich das ändern. Wir wandeln durch Downtown und Quartier Latin. In China Town, das im frankophonen Sprachraum Quartier Chinois heißt, kaufen wir in einem chinesischen Supermarkt für Kanada unglaublich günstiges Gemüse. Eine Gurke kostet einen statt drei Dollar, das Pfund Tomaten 69 Cent, sonst bis zu vier Dollar, ein Pfund frische Nudeln 1,50. In den kaum mehr als einen halben Meter breiten Gängen drängeln sich die Leute ungeniert mit ihren Einkaufskörben zwischen Tofu und Tütensuppen, dazwischen sitzt eine asiatische Verkäuferin mit eingezogenen Beinen am Fußboden und räumt Regale ein.

Eine Besonderheit Montréals ist die U-Bahn. Zwar haben die meisten Städte ein paar Kioske und Läden in den Gängen. Montréal aber hat über 150 Eingänge in ein 30 km langes unterirdisches Geflecht aus Plätzen, Straßen und Kreuzungen mit 1800 Geschäften, 200 Restaurants, Anbindung an Theater, Kinos, Hotels, die Universität, eine Kirche, Shopping Malls und etliche Bürotürme. Hunderttausende Pendler müssen – vor allem im kalten Winter – keinen Schritt nach draußen gehen sondern wuseln wie Ameisen den ganzen Tag im Untergrund herum.

Montréal ist schön, Montréal ist interessant. Für uns ist der krasse Unterschied zwischen rauer Wildnis in Labrador, Schotterpisten, auf denen man fünf Stunden lang niemanden begegnet einerseits und zehntausenden Autos auf der Straße und Frauen, die unwesentlich mehr als nichts am Leib auf plateauhohen Schuhen umher balancieren andererseits nicht ganz einfach zu verarbeiten. Wir Europäer sind, was Städte anbelangt, sehr verwöhnt. Mélie und Mike haben Montréal je in nur einem Satz beschrieben. Mélie meinte, Motréal ist phantastisch. Mike sagte, naja, es ist halt eine Stadt. Die beiden haben es auf den Punkt gebracht.

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