Spruce Woods, Manitoba – Wolkenbruch über der Prärie

Lake Winnipeg ist bekannt für seine Badestrände und die für kanadische Verhältnisse warmen Wassertemperaturen im Sommer. Der ausgedehnte Sandstrand von Grand Beach Provincial Park ist wirklich hübsch mit seinen bewachsenen Dünen und das Wasser ist flach und lau. Wind kommt auf und es beginnt zu regnen, dabei bleibt es mild. Das subtropische Feeling wird unterstützt von den dümpelnden Pelikanen. Kanadagansfamilien watscheln umher, stets bewacht von Mama und Papa. Möwen und Schwalben fliegen vorbei und Gelbfuß-Regenpfeifer sausen an der Wasserlinie entlang. Ein Vogelparadies.

Aus Neugier halten wir bei einer Firma in St. Andrews an, die auf ihrem Hof eine große deutsche Flagge gehisst hat. Wir erfahren, dass Großvater Jehle 1930 aus Deutschland ausgewandert ist, zunächst als Farmer. Heute ist der Großteil des Landes verpachtet, der Vater bewirtschaftet nur noch einen kleinen Teil als Hobby. Immerhin verkauft er sein gutes Heu für Pferde bis hinunter nach Georgia im Süden der USA. 19 seiner riesigen Tanktrucks schwirren über ganz Manitoba bis nach Saskatchewan. Beladen mit Magnesiumchlorid sprühen sie im Sommer Schotterstraßen, Parkplätze oder auch Reiterhöfe, um das gefürchtete Stauben bei Trockenheit zu verhindern. Im Winter hilft das gleiche Gemisch anstelle von Salz korrosionsfrei gegen Eis und Schnee. Die Firma verkauft auch ein paar hochwertige Baumaterialien wie eine Art Kunststein für Fassaden aus handbemaltem Polyurethan und Steinstaub, der nicht nur wesentlich leichter ist als echter Stein, sondern nur die Hälfte kostet. Sämtliche Disneylands wurden aus dem Material errichtet. Bruder und Schwester führen uns durch die komplett renovierte 50 Jahre alte Scheune, die heute den standesgemäßen Firmensitz bildet.

Aus dem Starkwind entwickelt sich eine halbe Stunde später ein Unwetter. Tiefste Dunkelheit umgibt uns am Nachmittag. Wir passieren unzählige Gewitterzellen, Regentropfen so groß wie Unterteller platschen gegen die Windschutzscheibe und Manitobas Bauern müssen erneut mehrere Zentimeter Niederschlag erdulden. Mitten im Wolkenbruch winkt uns ein Lkw-Fahrer energisch zur Seite. Alex aus Kirgistan hat hatte 18 Jahre in Minden gelebt, bevor er vor drei Jahren nach Kanada ausgewandert ist. Der passionierte Trucker „fraitt sich soo, dass err triifft jungge Laitte aus Daitschland mit die Unimog“. Dabei sind wir gut und gerne zehn Jahre älter als er. Alex muss mit seiner Terminfracht weiter, er hat Kartoffeln bei einer Pommes-frites-Fabrik abzuliefern. Er möchte uns so gerne mitnehmen, aber auch wir wollen weiter zum Spruce Woods Provincial Park. Manitobas Prärien gelten als extrem langweilig. Ganz so schlimm ist es, zumindest beim ersten Durchfahren, nicht. Die großen Felder werden immer wieder unterbrochen von Windfangbaumreihen, Walstücken, Gehöften und Ansiedlungen. Allerdings führt der Highway erstaunlich lange geradeaus. Unmittelbar vor Spruce Woods wird die Landschaft hügeliger, grüner, Gräser, Laub- und Nadelbäume wechseln sich ab. Ein Teil des Parks Spirit Sands, ist ein wüstenähnliches Areal mit feinsandigen Wanderdünen und Kakteenbewuchs. Hier soll es so gut wie nie regnen. Heute erfüllt sich diese Hoffnung nicht. Ganz Manitoba versinkt im Gewitter und wir lassen uns auf dem ruhigen Parkplatz von Regentropfen in den Schlaf prasseln.

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