Banff, Banff NP, Alberta – Ein Wolf auf Schienen

Alle Europaliebhaber kann ich beruhigen: Die Alpen müssen sich nicht hinter den kanadischen Rocky Mountains verstecken. Die Rockies sind hier maximal 3.500 m hoch, bis zur Baumgrenze mit Nadelwald bedeckt, darüber lugen steile graue, teils schneebedeckte Spitzen, vielleicht sogar etwas weniger schroff als so mancher Alpengipfel. Nichtsdestoweniger birgt die Landschaft Schönheit, Faszination, Anmut. Sie gehört zum Besten, was Kanada zu bieten hat. Alpen hin, Alpen her, es ist traumhaft hier. Dazu gehört auch die Tierwelt, die sich von Europa durchaus unterscheidet.

Als erstes fahren wir ins Banff Informationszentrum. Das Dorf selbst erinnert an jeden anderen Berg-Touristenort: sauber, hübsch hergerichtet, proper ausstaffiert, aber eben gnadenlos touristisch und teuer. Selbst das Infocenter ist kommerziell ausgerichtet. Das im Eintrittspreis enthaltene Informationsmaterial ist äußerst spärlich im Gegensatz zu anderen Parks. Möchte man mehr wissen, muss man gezielt nachfragen oder recherchieren, besser noch – so das Ziel – einen der angebotenen Wanderführer kaufen. Noch ist Juni, noch ist Vorsaison, noch sind nicht zu viele Besucher hier. Also quetschen wir so viele Informationen wie möglich aus der Rangerin heraus. Zurück auf dem Parkplatz erwischen wir einen Mounty beim fotografieren von Arminius. Wir plauschen eine Weile mit ihm (und den anderen Neugierigen), dann fahren wir zum Johnson Lake, den wir in einer Kurzwanderung umrunden werden. Die wunderschöne türkis- und smaragdfarbene Tönung erhalten die Bergseen vom Gletscherschlamm, der sich vor Jahrtausenden abgelagert hat. In tieferen Lagen um den See herum findet man Mischwald, darüber Nadelwald bis zur klar erkennbaren Baumgrenze an den umgebenden Bergen. Selbst an den Südhängen sind die Gipfel schneebedeckt. Das Panorama rührt wirklich jeden. Selbst die Abhaktouristen. Die kommen mit ihren Pkw oder Wohnmobilen auf den Parkplatz gedüst. Der Fahrer platziert sich mit laufendem Motor so, dass der Beifahrer aus dem Seitenfenster ohne auszusteigen den See fotografieren kann, und schon brausen sie davon. Johnson Lake gesehen, abgehakt.

Wir fahren auf der Minnewanka Road weiter in Richtung Two Jack Lake und Lake Minnewanka. Im Gebiet zwischen den beiden Seen sollen sich die Dickhornschafe aufhalten. Wir werden nicht enttäuscht: Direkt am Straßenrand grasen kapitale Böcke, die ihr Winterfell schon fast vollständig abgelegt haben, und Mütter mit Lämmern, die sich von den Fahrzeugen in keiner Weise stören lassen. Wir wurden angewiesen, nicht auszusteigen, um die wilden Tiere nicht an Menschen zu gewöhnen.

Im Süden gleich außerhalb des Parks finden wir einen Platz am See, wo wir nächtigen können. Es ist einer dieser Plätze, wo man nicht mehr weg will. Blaugrünes Wasser, hellgrüne Bäume, graue Berge, weißer Schnee. Auf der anderen Seite des Sees läuft die Bahnlinie, wo hin und wieder ein Güterzug fährt. Wir wollen unseren Augen nicht trauen. Ein Vierbeiner trottet in aller Ruhe auf den Schienen entlang. Ein Blick durchs Fernglas eröffnet die ganze Wahrheit: Es ist tatsächlich ein ausgewachsener Wolf mit braunem Fell, der hier einen Kontrollgang durchführt. Die Züge transportieren und verlieren oft Getreide, das wiederum Kleintiere und Wild anlockt, sozusagen ein gefundenes Fressen für den Wolf. Nur Minuten später schwimmt ein Biber über den ganzen See auf uns zu, bevor er im Dickicht verschwindet. Wir sind im Paradies.

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