Banff, Banff NP, Alberta – Unser erster Grizzlybär live und in Farbe

Heute Morgen erschreckt uns Mark aus Hamburg. Er kommt hinter einer Ecke vorgesprungen und dröhnt „endlich mal ein anständiges Auto“. Wir hatten uns in der Nacht auf einen kleinen Parkplatz unterhalb eines Schotterwerks gestellt. Mark arbeitet dort seit ein paar Jahren als Lkw-Fahrer, hat uns gesehen und kam den Hang hinunter geklettert. Natürlich kommt er später mit Laster und Kamera nochmals wieder. Ein Foto muss sein.

Wir wagen uns wieder nach Banff hinein, die touristische Lage ist halbwegs entspannt. Als erstes fahren wir an einen Ausblick, wo wir die Stromschnellen des Bow Flusses, die sogenannten Bow River Lower Falls, und das The Fairmont Banff Springs Hotel überblicken können. Das schlossartige Gebäude gehört zu einer Reihe ehemaliger Eisenbahnhotels für Luxusreisende des späten 19. und bis ins 20. Jahrhundert hinein. Teuren Luxus gibt es heute immer noch, wenn auch nicht mehr per Bahn. Ein paar Kilometer weiter liegen ein paar Hoodoos, diese aufgewaschenen Felssäulchen, die uns allerdings weniger beeindrucken als der Blick ins romantische Bow Valley. Schließlich fahren wir zum Sundance Canyon, wo die Ureinwohner früher ihre heilige Sonnentanz-Zeremonie abgehalten haben. Die Halbtageswanderung über 11 km führt uns anfangs asphaltiert am türkisen Bow River entlang, geht aber später hübsch durch den engen Canyon und im Wald entlang.

Ich kannte die Dinger bereits aus Texas, wusste aber nicht, dass sie so heißen: Texas Gates. Das sind in die Straße eingelassene sehr grobe Roste aus dicken Metallrohren mit gutem Abstand dazwischen. Fahrzeuge und Fußgänger können sie problemlos überqueren, Huftiere jedoch nicht. In Texas findet man sie an vielen Ranches, wo man kein Gatter anbringen möchte, das man ständig auf- und zumachen müsste, will man durchfahren. Die Kühe aber bleiben zwangsweise auf der Ranch. In Kanada benutzt man Texas Gates, wie hier im Banff Nationalpark, an den Zufahrten zum Trans Canada Highway. Rehe, Hirsche und Elche sollen so gehindert werden, über die Nebenstraßen auf die Autobahn zu gelangen.

In einer Parkbucht steht ein einsamer Pkw. Die Fahrerin (mit europäischem Aussehen) sitzt, noch einsamer, daneben im Gras. Sie hat eine Indianertrommel in der Hand und schlägt mit dem Schlägel versonnen in die Ferne blickend gleichmäßig darauf ein. Ein ziemlich kurioses Bild. Wir wagen nicht zu fragen, um welche Art Beschwörungszeremonie es sich handelt. An der Straße und während der Wanderungen sieht man immer wieder Rodungen oder abgebrannte Wälder. Meist handelt es sich um gezielte Maßnahmen der Ranger gegen den Borkenkäfer, der sich vor ein paar Jahren aufgrund bestimmter Wetterbedingungen ausgebreitet und große Schäden angerichtet hatte.

Dann ist er plötzlich da, rechts der Fahrbahn auf einem Wiesenhang in einer Waldlichtung: groß, braun, wohlgenährt. Unser erster Grizzlybär in freier Wildbahn. Glücklicherweise nimmt er uns überhaupt nicht wahr, da er mit Essen fangen beschäftig ist. Heute steht Fleisch auf dem Speiseplan. Er scheint ein Erdhörnchen oder ähnliches zu jagen. Das arme Tier muss einen Bau mit mehreren Ausgängen unter der Erde besitzen, da Meister Petz behände zwischen den Löchern hin und her springt. Eigentlich erstaunlich, wie schnell dieser Fleischberg mit dickem Hintern sich bewegen kann. Wähnt er die Beute dicht unter der Erde, wendet er die gleiche Fangtechnik wie die verwandten Eisbären an: Er stellt sich kurz auf die Hinterfüße und lässt sich dann mit seinem ganzen Körpergewicht auf die Vorderbeine krachen um die Erddecke einzuschlagen und den Snack zu fassen. Mit diesem ausgewachsenen Exemplar möchten wir uns nicht ums Abendessen streiten müssen. Wir können nicht sagen, für wen die Geschichte erfolgreich ausgegangen ist. Ein paar Ranger kommen mit dem Auto und bitten uns, weiter zur fahren wenn wir genügend Bilder gemacht haben. Der Bär soll sich nicht an Menschen gewöhnen. Ein vernünftiges Argument in Anbetracht der bepelzten Muskelmassen, das wir gerne respektieren.

Gegen Ende des Tages wandern wir noch einen Kurztrip in den Johnston Canyon. Ein kleiner Bergfluss hat sich tief ins Gestein eingeschnitten, bildet ein paar hübsche Wasserfälle und einen kleinen Tunnel, durch den man hindurch laufen kann. Das Flusswasser ist so frisch und der Canyon so eng, dass die Kälte nicht entweichen kann und selbst im Hochsommer kühle Lufttemperaturen herrschen. Eine Informationstafel bietet einen netten Vergleich: Der Gebirgsbach hat sich in 9000 Jahren 18 m tief gefressen. Als die Pyramiden in Ägypten ganz neu waren, hatte das Flussbett erst die Hälfte seiner heutigen Tiefe erreicht. Scheint irgendwie noch gar nicht so lange her zu sein.

Heute gibt es nach 62 Nächten unserer Weltreise eine weitere Premiere: Wir schlafen zum ersten Mal auf einem Campingplatz. In den großen Nationalparks gibt es keine andere Möglichkeit für Wohnmobile. Den Park zu verlassen und außerhalb nach einer kostenlosen Übernachtungsmöglichkeit zu suchen lohnt sich nicht, da man mehr Geld für Kraftstoff ausgeben würde. Also fahren wir ahnungslos auf den Waldparkplatz, drehen zwei Runden, suchen vergeblich nach einer Rezeption, nach jemandem, der uns sagt wo wir uns hinstellen können und der unsere 21 Dollar 50 für Stellplatz, Klo aber ohne Dusche annimmt. Schließlich fragen wir Doris und Jürgen nach dem System. Es handelt sich hier um Selbstregistrierung. Man füllt ein Formular aus und wirft es zusammen mit dem Geld in einem Umschlag in eine dafür vorgesehene metallene Sparbüchse. Allerdings: Zeche prellen ist absolut verpönt. Der Platz ist relativ fest in deutscher Hand. Ein paar englische Stimmen hören wir und zwei Slowaken, die aber auch deutsch sprechen. Unsere umliegenden Nachbarn können recht viel von unserer Ausrüstung gebrauchen: Feuer vielleicht, mal eben ein Axt, es darf auch schon mal ein Adapter sein- Noch was? Später verbringen wir noch einen lustigen Abend mit den beiden Bochumern, die sich auch nicht über die kanadischen Alkoholpreise einkriegen können.

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