Liard Hot Springs, Alaska Highway, British Columbia – Mutprobe in heißen Quellen

Ich bin im falschen Film. Ich fahre auf dem Alaska Highway und es ist heiß. Es hat 30° und, schlimmer, die Sonne sticht als sollte es heute noch ein böses Gewitter geben. Die meiste Zeit in Kanada habe ich mich gefragt, wozu ich Sommerklamotten eingepackt habe. In der Unimog-Fahrerkabine mit der steilen Scheibe ist es aber erträglich. Außer den Knien und vielleicht einem Arm sitzen wir immer im Schatten. Die Insekten, die zum offenen Fenster herein fliegen, werden auch immer größer und seltsamer. Auffallend ist, dass zahlreiche Tankstellen, Motels oder Shops geschlossen haben. Auch viele Unternehmen am Alaska Highway sind der Rezession zum Opfer gefallen.

Der Alaska Highway ist eine Dauerbaustelle. Witterung und Verkehr setzen, dass er permanent ausgebessert werden muss. Man sollte darauf vorbereitet sein, jederzeit anhalten zu können, da viele Baustellen nur jeweils in einer Fahrtrichtung passiert werden können. Es sind tatsächlich mehr Wohnmobile als andere Fahrzeuge unterwegs: Camper, Wohnwagengespanne oder Pick-ups mit Wohnauflieger. Aber bisher sind wir keinem einzigen Expeditionsmobil begegnet. Dafür anderen deutschen Reisenden. Ein älteres deutsches Ehepaar, das zu Beginn einer geführten Südamerikarundfahrt schon einmal vier Wochen auf ihr Wohnmobil warten musste, da die Autofähre einen Motorschaden erlitten hatte. Diesmal ist ihr eigener Motor kaputt und sie hängen seit fast fünf Wochen im 4500-Einwohner-Nest Fort Nelson fest, auf die Ersatzmaschine wartend. Ein Bundeswehrabgänger fliegt kreuz und quer durch die Welt, mietet sich ein Auto und fährt zeltend durch die Länder.

Irgendwas hat der Alaska Highway an sich, die sonst so besonnenen Kanadier zu flotterem Fahren zu animieren. Plötzlich überholen sie, was sie sonst selten tun, und das an Stellen, wo es nicht immer empfehlenswert ist. Ab Spätnachmittag, so gegen fünf, hat man die Straße dann fast für sich alleine. Die wohnmobile haben sich bereits auf die Campingplätze zurückgezogen, aber auch wildes Campen ist hier durchaus üblich. Das sind die schönsten Stunden zu fahren. Das Licht wird weich und das Wild kommt heraus. Die Straße ist kurvig und hügelig, sie führt durch das Bergland der nördlichen Rocky Mountains. Besonders attraktiv ist die Streckenführung direkt am Ufer des kupferoxydgrünen Muncho Lake entlang. Wir sehen heute einen Schwarzbären, zwei Karibus, etliche Bergziegen und sieben Elche, darunter eine Mutter mit Baby und zwei Böcke, denen bereits ein eindrucksvolles Geweih gewachsen ist. Um halb acht Uhr abends erreichen wir die Liard Hot Springs. Die heißen Schwefelquellen in den nördlichen Rockies sind legendär, da sie mitten im Wald liegen und die beiden Pools weitgehend naturbelassen wurden. Jede Menge Trucker gönnen sich hier ein Bad, viele von ihnen haben uns empfohlen, hier unbedingt anzuhalten. Ein Holzplankenweg führt durch die warmen Sümpfe im Wald, wo üppiges, fast subtropisches Grün gedeiht und sich Heißwasserfische tummeln, die man vielleicht nicht mal mehr kochen muss. Für Benutzer des staatlichen Campingplatzes ist das Baden in den Quellen kostenlos, aber der ist in der Hochsaison spätestens am Vormittag schon voll, wenn er nicht schon vorgebucht ist. Tagesbesucher zahlen seit einiger Zeit 5 $ pro Person. Da wir aber so spät dran sind und die Ranger gerade einpacken, winken sie uns einfach durch. Es ist ganz offiziell erlaubt, auf dem Parkplatz auf der anderen Straßenseite zu nächtigen. Ein paar Meter weiter gibt es noch einen privaten Campground. Der hintere, 800 m entfernte Quelltopf ist 3 m tief und soll 42° haben. Wir überhitzen schnell beim Schwimmen im heißen Wasser und wollen den vorderen Pool ausprobieren, der nur 500 m vom Eingang entfernt liegt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Temperaturangabe 58° korrekt ist, werde aber schnell eines Besseren belehrt. Die Becken sind flach, man kann darin herumlaufen, Das Schwefelwasser ist heiß, aber an manchen Stellen quillt es unerwartet aus dem Boden, sodass man erschreckt zurückspringt, weil man sich fast daran verbrüht. Verletzungen zieht man sich erst ab etwa 60° zu, aber der Schmerz scheint schon hier unerträglich zu sein. An einer Stelle, die nur erreichbar ist, wenn man sich durch die Austrittsstellen hindurchwagt, haben Mutige Steinmännchen errichtet und jeder Erfolgreiche fügt einen weiteren Stein hinzu, begleitet vom Applaus der Umstehenden. Zunächst scheint das Unterfangen unmöglich, es soll aber klappen, wenn man sich kontinuierlich bewegt. Beim ersten Mal funktioniert das, leider ohne Kamera. Als wie die Prozedur wiederholen um Beweisfotos zu erhalten. Hat sich der Wasserstrom irgendwie verändert und ich kehre mit krebsroten, brennenden Beinen zurück. Je weiter man dem Unterlauf der Becken folgt, desto mehr kühlt sich das Wasser ab, man kann sogar unter quer liegenden Bäumen hindurch schwimmend in einen verwunschenen Feenwald eintauchen und gekochte Fische suchen. Zurück am Parkplatz ist es zu spät zum Weiterfahren. Außerdem läuft nebenan eine Party, zu der sich ein paar Kanadier und Amerikaner zusammen gefunden haben, und die uns mit deutschem Holsten Bier anzulocken versuchen. Um Mitternacht ist es immer noch hell. Die Sonne geht zwar für ein paar Stunden unter, aber sie entfernt sich nicht weit vom sichtbaren Horizont, sodass es auch nachts ziemlich hell bleibt.

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