Silver Trail + Klondike Hwy + Dempster Hwy, Yukon – Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen

Direkt vor unserer Kabinentür pflücke ich Himbeeren von einem Strauch, der in voller Frucht steht. Kürzlich hatte ich ein ganzes Feld reifer Walderdbeeren gefunden. Es beginnt die Zeit, in der man vorsichtig in den Busch gehen sollte. Wenn Bären Beeren fressen, sind sie unaufmerksam. Bei Stewart Crossing haben wir gestern Abend den Klondike Highway für einen kurzen, 250 km langen Ausflug verlassen. Auf dem Silver Trail fahren wir über Mayo nach Elsa und Keno. Dort wurde bis 1989 eine der größten Silberminen Nordamerikas betrieben. Nach dem Preisverfall des Silbers und Schließung der Mine hat Mayo jegliche wirtschaftliche Bedeutung verloren. Elsa und Keno erging es noch schlechter, dort leben jeweils nur noch eine Handvoll Menschen, die Orte sind zu Geisterstädten verkommen. In Keno kann man Schachtgerüste, Aufbereitungsanlage und ein Museum besuchen, das von besseren Zeiten berichtet. Höhepunkt ist die Fahrt über eine steile, enge, zehn Kilometer lange Schotterpiste auf den Keno Hill, die von den meisten Fahrzeugen passiert werden kann, außer von größeren Wohnmobilen, Gespannen und Autos mit sehr niedriger Bodenfreiheit. Der Pfad windet sich im Zickzack auf den 1849 m hohen Berg. Der Aussichtspunkt wartet mit einer grandiosen Fernsicht auf und einem weiteren vielgesehenen Fotomotiv: dem Sign Post, einem Wegweiser mit Richtungs- und Entfernungsangaben zu allen großen (Berlin) und bekannten (Heidelberg) Städten der Welt, aber Paris, London und andere sind natürlich auch darunter. Hier oben hat es nur noch 8°, also ziehen wir uns zum Mittagsimbiss in die Kantine zurück. Durch das Moskitonetz der geöffneten Eingangstür beobachten wir zwei Murmeltiere. Eines davon nähert sich aufmerksam beobachtend, aber gezielt dem Unimog. Am rechten Hinterrad verschwindet es unter dem Wagen. Plötzlich ein Scheppern. Was macht das Vieh da bloß? Es klappert nochmals und nochmals. Das Murmeltier muss wohl unseren Eimer untersuchen, der hinten unter dem Wagenboden hängt. Bevor wir abfahren, versichern wir uns, dass wir keinen blinden Passagier befördern. Eisgraue Murmeltiere murmeln wahrhaft viel herum: Sie halten bis zu neun Monate Winterschlaf.

So langsam stellen sich erste Verluste ein. Seit Watson Lake spinnt unsere Kamera. Wir können ein, manchmal zwei Fotos machen, dann zeigt sie einen Fehler an, der nur behoben werden kann, indem man den Akku kurzfristig entfernt. Danach wiederholt sich das Spiel. Das ist nervtötend bei Landschaftsaufnahmen, aber eine Katastrophe bei der Tierfotografie. Heute Mittag lassen wir auch noch eines unserer Objektive fallen. Danach liegt von innen Schmutz auf der Linse. Ein Reparaturversuch scheitert und macht das Objektiv völlig unbrauchbar. Es gibt kein Telefon, kein Internet und wir sind ein paar tausend Kilometer von der nächsten Einlaufsmöglichkeit oder Servicestation entfernt.

Auf der Rückfahrt nehmen wir einen Rundweg von Keno über die Duncan Creek Road nach Mayo zurück. Der ursprüngliche, alte Silberweg ist eng und nicht in bestem Zustand, aber allemal eine spaßige „off-road“-Fahrt wert. Als wir wieder auf den Klondike Highway einbiegen, spricht uns an der Tankstelle ein ortsansässiger Indianer auf unseren Unimog an. Er kennt sich aus; als er fachmännisch feststellt, dass der von Hellgeth gebaut wurde, bleibt uns vor Staunen der Mund offen stehen. Die Firma kennt er von Internetrecherchen über Allradfahrzeuge.

40 km vor Dawson City biegen wir in den Dempster Highway ein. Noch 740 km bis Inuvik. Diese Route ist ein Muss für Menschen, die die typische Einsamkeit des hohen Nordens Kanadas suchen. Nur Begin und Ende sind für wenige Kilometer asphaltiert, der Rest ist Piste. Der Dempster Highway ist die einzige Straße in Kanada, die den Polarkreis überquert. Eröffnet wurde sie 1979 nach sagenhaften 20 Jahren Bauzeit. Die ständige Erosion durch die extremen klimatischen Bedingungen bereitet auch heute noch Probleme und erfordert ständige Wartung. Sergeant William Dempster (1876 – 1964), Namensgeber des Highway, stand 37 Jahre lang im Dienst der North West Mounted Police im Yukon. Der ab 1904 übliche Patrouillen- und Postdienst zwischen Fort McPherson und Dawson City wurde auch während der Wintermonate aufrecht erhalten. Dempster hatte sich schon früh einen Namen gemacht, als er die damals ca. 770 km lange Strecke mit Hundeschlitten nicht nur öfter als alle anderen, sondern auch in einer Rekordzeit von 14 statt durchschnittlich 20 bis 25 Tagen bewältigte. Als er eine im Dezember 1910 verschollene Patrouille im März darauf nach wochenlanger Suche nur noch tot bergen konnte, bekam er den Auftrag, die Strecke sicherer zu machen. In den darauffolgenden Wintern markierte er die Route und baute Notunterstände. Die Lost Patrol liegt heute noch in Fort McPherson begraben, in dessen Nähe man sie gefunden hatte.

Die Strecke, die größtenteils dem alten Indianer- und Hundeschlittenpfad folgt, führt höher und höher durch die Ogilvie Mountains. Nach 75 km hat man vom Tombstone Mountain View Point einen sagenhaften Blick über Berge und Täler. Ein paar Kilometer weiter überquert man den North Fork Pass, mit 1300 m der höchste Punkt der Straße und ist damit in diesen Breiten schon weit über der Baumgrenze. Das Hochplateau und die umliegenden sanften Berge sind mit Gräsern und niedrigem Gebüsch bewachsen, dazwischen blühen immer wieder Blumenfelder, Bäche und Teiche blitzen im Sonnenlicht. Eine liebliche Landschaft, die jedoch etwas trügt. Verlässt man den Highway, muss man gut aufpassen, wo man hinfährt, denn es ist fast alles Sumpfland, in dem man auf der Stelle einsinkt. Ein Rotfuchs schleicht an Arminius vorbei, ein kleiner Hase hoppelt kurz darauf hinterher. Sicher wollen sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.

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