Dawson City, Yukon – Goldgräber damals und heute

Der Midnight Dome ist ein 1887 m hoher Berg, der sich hinter Dawson City erhebt. Seinen Namen hat er von der Mitternachtssonne, die man am 21. Juni von hier aus beobachten kann. Über die Dome Road gelangt man mit dem Auto auf einen Aussichtspunkt 600 m über der Stadt, von dem aus man den Zusammenfluss von Yukon und Klondike River sehen kann, sondern auch die Zerstörungen, die über 100 Jahre Goldsuchen angerichtet haben. Der Goldrausch begann 1896, als George Carmack – oder seine indianische Frau beim Wäschewaschen, die Geschichten lauten unterschiedlich – ein Nugget fand. Der Goldrausch dauerte nur wenige Jahre und hatte seinen Höhepunkt 1900. Damals wurde mit einfachsten Werkzeugen per Hand geschürft – entweder im Tagebau oder, vor allem im Winter beliebt, den Goldadern Tunnel grabend folgend. Und das trotz der großen Schwierigkeiten, die der Permafrostboden bereitete. Anfangs wurde er mit Holzfeuern, später mit Wasserdampf aufgetaut. Das Schürfgut wurde bis ins Frühjahr aufgehoben und dann im Fluss ausgewaschen. Die Bevölkerung war rasch auf 30.000 angestiegen. Mit Ankunft des ersten Eimerkettenbaggers verschwand nicht nur der Untertagebau, sondern auch mehr oder weniger der unabhängige Goldsucher. Firmen übernahmen das Ruder. Damals war Dawson City der viertgrößte Goldproduzent der Welt. 1950 war die Bevölkerungszahl bereits wieder auf 500 gesunken. Eine täuschende Zahl, denn die meisten Einwohner hatten Dawson lange verlassen, zahlten nur weiterhin ihre Steuern dort, um bei einem erneuten Goldrausch ganz vorne dabei zu sein. Zu dem Zeitpunkt begann die staatliche Institution Parks Canada, Betreiberin sämtlicher Nationalparks und vieler National Historic Sites, Dawson City als touristisches Ziel zu etablieren. Heute leben hier im Sommer wieder 1.900 Menschen, vornehmlich junge Leute, die im Tourismus arbeiten. In Dawson legt man wert auf Stil: Selbst die Damen im Infocenter tragen lange Röcke und Blusen wie vor 100 Jahren. Auch heute noch wir Gold gefördert. Vom Spitzenjahr 1900 sind die Erträge allerdings von 34.000 Tonnen auf durchschnittlich 2.200 Tonnen jährlich gesunken. Das ist zumindest die offizielle Zahl. Insgesamt wurde Gold im Wert von über einer Milliarde Dollar dem Boden abgetrotzt.

Nordamerikas größter Eimerketten-Schwimmbagger mit Holzrumpf, Dredge # 4, Jahrzehnte außer Betrieb, kann heute mit einer Führung besichtigt werden. Eine Rundfahrt über eine enge Schotterpiste am Bonanza Creek führt nicht nur an einem Souvenirshop und dem Touristenclaim vorbei, wo man sich in traditionellem Siebschütteln üben kann, sondern auch an zahlreichen aktiven Minen. Hier findet man verrostete Maschinen und Autos, die älter sind als die meisten von uns, die aber niemand entsorgt. Direkt am Klondike Highway begegnen wir Walter aus Berlin, Jahrgang 1937, seit 1957 in Dawson. Ein waschechter Goldgräber. Seine zwei alten, nicht mehr fahrtüchtigen Unimog waren uns aufgefallen. Noch viel mehr halb verfallene Fahrzeuge stehen auf seinem Grundstück: ein VW-Bus, ein Golf, ein Mercedes und vieles mehr. Zwei Motorräder mit Beiwagen – eine BMW und eine Moto Guzzi. Alles seit Jahrzehnten nicht mehr bewegt. „Ick hab keene Zeit zum repariern“ meint Walter. Ob das wohl an den vielen leeren 2-l-Rotweinflaschen liegt und dem leeren Rotweinglas, mit dem er uns um vier Uhr nachmittags entgegenkommt?

Dawson City wirkt wie ein Relikt aus vergangener Zeit. Die alten Holzhäuschen wurden erhalten, größtenteils restauriert und wie früher bunt angestrichen. Die Straßen sind nicht asphaltiert, die Bürgersteige aus Holz. Wenn dann auch noch im Casino Diamond Tooth Gertie’s Gambling Hall die Revuegirls originalkostümiert beim Cancan ihre bestrumpften Beine schwingen, fühlt man sich endgültig einhundert Jahre zurückversetzt. Wer mag. Diamond Tooth Gertie gab es übrigens wirklich. Die Amüsierdame war mit den Goldgräbern zu Reichtum gekommen und hatte sich einen Diamanten zwischen die Schneidezähne geklemmt – daher ihr Name.

Wegen des gesperrten Taylor Highway wirk Dawson City wie leergefegt. Lediglich an der Eisdiele bilden sich lange Schlangen. Zu Recht. Das Eis ist nicht billig, aber eine das Abendessen ersetzende Portion und sein Geld wert. Vor der Eisdiele verquatschen wir uns mit einem Ärztepaar aus Weimar, das auf Kanadarundreise ist und das wir schon seit Inuvik kennen. Als wir an der Tankstelle 10 km vor Dawson City ankommen, die den Diesel für 1,25 $ statt 1,41 $ in der Stadt verkauft, hat diese schon zu. Ohne zu tanken wollen wir nicht losfahren, zumal der Highway noch nicht offen ist. Wir verbringen mal wieder eine Nacht hinter einer Tankstelle.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.