Hatcher Pass Road + Anchorage, Alaska – Erdbeben am Earthquake Park

Statt der im Süden langweiligen Hauptstraße zu folgen, biegen wir bei Willow in die Willow Fish Road ein. Die 80 km lange Straße führt über den 1.184 m hohen Hatcher Pass nach Palmer. Zu Beginn im Westen und einige Kilometer im Osten sind Asphalt, aber der Großteil ist enge, einspurige Schotterpiste mit Ausweichstellen und sehr engen Serpentinen. Ungeeignet für große Wohnmobile und Gespanne, sonst aber eine der schönsten Strecken, die wir gefahren sind. Von der Westseite her erreicht man zügig die baumlose Tundra. Die Piste begleitet einen Bergbach, der über große runde Steine ins Tal schießt. Dann steigt die Straße immer höher, rechts von uns tut sich ein tiefes Tal auf. Auf einem kleinen Plateau knapp unterhalb der Straße entdecke ich ein weißes Holzkreuz. Mein Blick folgt dem ungeschützten Abhang nach unten, mehrere hundert Meter weit. Dann sehe ich es, das Autowrack, klein wie eine Zigarettenschachtel. Wer soll es dort auch wegräumen? Leitplanken gibt es natürlich keine. Auch in dieser Gegend wird noch intensiv nach Gold geschürft. Ganze Familien haben während des Sommers ihre Zelte und Wohnwagen an ihren Claims aufgestellt und hocken am Fluss, auf ganz traditionelle Weise Gold waschend.

Oben auf dem Pass hat man einen schönen Blick auf die Straße und ein paar Teiche. An einem 10. August bestücken wir uns mit dicken Jacken und Wollmütze. Wir besteigen einen der Berge und werden mit einer atemberaubenden Aussicht auf beide Seiten belohnt. Den kargen, mit einem grünen Teppich belegten Westen und die hohen, schroffen, schneebedeckten Berge im Osten, mit den glitzernden Wassern des Matanuska River dazwischen. Davor liegt die Stadt Palmer in einem fruchtbaren grünen Tal, der einzigen landwirtschaftlich bedeutenden Region Alaskas, wo bei durchschnittlich 165 frostfreien Tagen pro Jahr und langen Tageslichtstunden im Sommer viele Gemüsesorten ausgezeichnet wachsen. Auf dem Weg nach unten passiert man die Independence Mine, wo man sich in einem Museum über die Geschichte des Goldsuchens informieren und auf dem staatlichen Claim nach Goldnuggets schürfen darf. Auf der Ostseite zwängt sich die Straße zusammen mit einem romantischen Bach durch eine Schlucht. Durch das Gebirge getrennt vom kalten Hinterland Alaskas wuchern Büsche und Bäume nur so unter dem ausgleichenden klimatischen Einfluss des Golfs von Alaska, einem Teil des Nordpazifiks.

Anchorage liegt am Cook Inlet, wiederum Teil des Golfs von Alaska, zwischen dem Knik Arm und dem Turnagain Arm. Anchorage ist mit 283.000 Einwohnern zwar die größte Stadt Alaskas, Hauptstadt ist aber nach wie vor Juneau, am Gatineau Channel im unzugänglichen Süden des Staates gelegen. Der Golf empfängt uns mit mehr als unangenehmem Wetter. 10°C, 65 km/h Wind und einsetzender Nieselregen lassen selbst die Büger Anchorages schauern. Wir fahren zum Earthquake Park, wo am Karfreitag 1964 bei dem stärksten Beben in Nordamerika der Neuzeit Teile des Landes zusammen mit 75 Häusern ins Meer gestürzt sind. Makaber sind die fast komplett verschütteten Autos, von denen nur Umrisse und Teile aus dem Kiesstrand herausragen. Der weiter südlich gelegene Ort Portage wurde vollkommen zerstört und aufgegeben, obwohl er noch auf vielen Landkarten eingezeichnet ist. Später erfahren wir, dass ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als wir am Earthquake Park in unserer Kabine Kaffee getrunken haben, ein fast unmerkliches Beben der Stärke 4,1 Anchorage erzittern ließ. Anchorage liegt am Ring of Fire, der aktiven Erdbeben- und Vulkanzone rund um den Pazifik. Leichtere Erdbeben und vulkanischer Ascheregen suchen die Gegend regelmäßig heim, größere Vulkanausbrüche und stärkere Beben sind zum Glück selten.

Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz mit wi-fi Internetempfang landen wir wieder, wie schon in Fairbanks, beim Home Depot. Das eine oder andere Wohnmobil und der eine oder andere Lkw, die hier schon stehen, lassen darauf schließen, dass unsere Idee nicht so außergewöhnlich ist. Hier gibt es keine Disco, aber einen großen Sportflugplatz, das Merill Field mit rund 1.200 Starts und Landungen täglich im Sommer, dessen Sichtflüge nachts zum Glück eingestellt werden. Die Elmendorf Air Force Base ist ein paar Kilometer weg, trotzdem zu hören, aber der Flugverkehr hält sich in Grenzen. In Anchorage herrscht reger Flugverkehr; es ist schwer, ihm zu entwischen. Es wird nach über drei Reisemonaten unsere erste Nacht auf einem Shopparkplatz und zum ersten Mal nach langer Zeit wird es nachts wieder richtig dunkel.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.