Alaska Highway + Haines Road, Yukon + BC + Alaska – Auch Grizzlys lieben Lachse

Der Wind rüttelt die ganze Nacht über an der Kabine, Regen platscht aufs Dach, und am Morgen offenbart das Thermometer ganze 6°C. Der Blick aus dem Fenster macht es nicht besser. Die grünen Berge von gestern sind mit einer dicken Schneeschicht überzogen. Kluane Lake, bei Sonne von intensiver Farbe, zeigt sich heute nur blassblaugrün. Der Mount Logan, Teil der St. Elias Mountains und mit 5.959 m höchste Erhebung Kanadas, ist von der Straße aus leider nicht sichtbar. Man müsste schon einen Flug über die Berge buchen. Die ersten Büsche verfärben sich gelb, der Herbst zieht ein.

Bei Haines Junction verlassen wir den Alaska Hwy, um auf der Haines Road weiter zu fahren. Über Haines und Skagway wollen wir nach Whitehorse zurück zum Alaska Highway gelangen. Die Strecke gilt als die „Superroute“ im nördlichen Kanada, aber von der Landschaft ist momentan aufgrund des Dauerregens wenig zu sehen. Die Haines Road folgt dem Verlauf des alten Dalton Trail, der während des Goldrauschs als alternative Route nach Dawson City genutzt wurde. Bereits 1890 hatte Frank Dalton ein erstes Teilstück eingerichtet und später Handelsposten aufgebaut. Hohe Wegezölle für die Benutzung seines Pfads durch brachten ihm mehr Geld ein als die meisten Claims an Gold. Mit Fertigstellung der Bahnlinie von Skagway nach Whitehorse verlor der Dalton Trail schon 1900 seine Bedeutung wieder, aber da war auch der Goldrausch schon wieder vorbei.

Mit dem Übertritt nach British Columbia fahren wir über eine 75 km lange baumlose Hochebene, die herrliche Panoramablicke auf Berge und ungezählte Gletscher ermöglicht. Vom 1065 m hohen Chilkat Pass führt ein einziges langes Gefälle hinunter zum Meer. Irgendwo mittendrin liegt der Grenzübergang, der weit vorher angekündigt wird, damit auch schwere Lkw rechtzeitig zum Stehen kommen. Wieder muss nur die Einreise abgefertigt werden, das aber geht schnell wegen des bereits vorhandenen Visums. Diesmal werden wir von den Amerikanern nach mitgeführtem Obst und Gemüse gefragt. Oh ja, wir haben Äpfel und Tomaten und noch ein paar Sachen, aber das haben wir alles aus Alaska! Dann ist es kein Problem. Gerade als wir fahren wollen halten uns drei Beamte auf, die sich schon neugierig in Position gebracht hatten. Einer der Federal Agents scheint direkt aus einer Fernsehserie gesprungen zu sein: schusssichere Weste, hochglanzpolierte Stiefel, perfekter Haarschnitt, coole Sonnenbrille. Wir haben richtig Spaß mit den dreien und dürfen fahren, als wir endlich alle ihre neugierigen Fragen zum vermeintlichen Militärfahrzeug beantwortet haben.

In Haines buchen wir als erstes für den Abend eine Fähre nach Skagway. Da wir einige Stunden Zeit haben, folgen wir zunächst der Mud Bay Road am Fjord entlang. Die Ausblicke auf die Gletscher sind aufgrund der Wolken leider getrübt, dafür haben wir auf der Chilkoot Lake State Recreation Site mehr Glück. Der Abfluss des Sees in den Fluss ist bekannt dafür, dass man dort während der Lachswanderung Grizzlys – oder Alaska-Braunbären, wie sie hier genannt werden – beim Fischfang beobachten kann. Insgesamt bekommen wir heute sieben Bären zu sehen: zwei Mütter, eine mit einem Zwillingspärchen und eine mit drei Jungen, aber auf unterschiedlichen Flussseiten und meist nicht gleichzeitig, damit sie sich nicht ins Gehege kommen. Die Kleinen sind alle von diesem Jahr, damit noch nicht sehr groß und ziemlich ungeschickt. Sie kullern und purzeln herum und lassen immer wieder Fische ins Wasser fallen, die ihre Mütter ihnen geduldig herausfischen. Aber wehe, der nächste Lachs kommt nicht schnell genug heran. Dann jammern, schreien, brummen und protestieren sie wie jedes hungrige Baby der Welt. Natürlich stehen auch Angler im Fluss. Lustig wird es, als eine Bärendreiergruppe ihren Fischgrund verlässt und am Ufer entlang in Richtung Angler läuft. Die eine Hälfte davon flieht in die Flussmitte, die andere spurtet verängstigt ans Ufer. Wer hat schon Lust, sich mit einer ausgewachsenen Grizzlymutter anzulegen? Damit Bär und Mensch sich weitgehend aus dem Weg gehen können, gibt es eine markierte Zone auf der Straße, wo eine der Bärenfamilien gewöhnlich vom Wald zum Fluss quert und umgekehrt, und die nicht zu Fuß, sondern nur im Fahrzeug passiert werden darf. An diesen Bärenübergang halten sich die meisten – bis auf die Bärin. Die springt uns an ganz anderer Stelle vors Auto und die Kleinen gleich hinterher, als wir eigentlich schon abfahren wollen. Also nochmals anhalten, aussteigen, noch mehr Bilder machen.

Der Fluss ist ebenfalls berühmt für seine Fischadler, die hier reichlich Nahrung finden. Allerdings kommen die zu Tausenden, wenn Bären und Menschen verschwunden sind – zwischen Oktober und März. Dennoch, ein paar frühe Adler sind schon hier. Irgendwann müssen wir uns, völlig durchfroren, losreißen, um die Fähre nicht zu verpassen. In einer Stunden bringt sie und durch den Fjord nach Skagway, Alaska.

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