Yellowhead Hwy, British Columbia – Indianische Traditionen im Wandel

Stewart hält den kanadischen Schneefallrekord: Während eines Winters sollen 22 m Schnee gefallen sein. Irgendwie drängt sich mir der Gedanke auf, dass es auch den Regenrekord hält. Aber den soll Prince Rupert, ein Stück weiter südlich, halten. Wir suchen unser (hoffentlich trockenes) Heil in der Flucht nach Süden. Dazu nehmen wir den Yellowhead Trail, dessen Name zurückgeht auf den Méti (Halbindianer – Halbfranzose) Pierre Bostenais irokesischer Abstammung, der in den 1820er Jahren als Scout für die Hudson’s Bay Company Pässe über die Rocky Mountains erkundete. Aufgrund seiner Haarfarbe wurde er von den französischen Trappern „Gelbkopf“, auf Englisch yellow head, genant. Später wurden er und seine Familie von Indianern umgebracht. Nach ihm wurde die zweitwichtigste Ost-West-Verbindung neben dem Trans-Canada-Highway benannt.

Eine nicht zu unterschätzende Gefahr bei Regen sind die schmierigen Holzbrücken, die auch auf Asphaltstraßen zu finden sind. Naturgemäß befinden sie sich oft am Ende eines Gefälles und sind manchmal nur einspurig. Außer dass es eine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt wird nicht sonderlich auf die Gefahrenstelle hingewiesen. Auf der Brücke selbst kann man oft nicht mehr bremsen, wenn man nicht über das lächerlich niedrige Geländer stürzen möchte. Ein anderer Typ sind Metallgitter wie die Hängebrücke am Hagwilget Canyon über den Bulkley River bei Hazelton. Dabei hat man die Freude, in den tief unter der Brücke liegenden Canyon und das wilde Wasser nicht nur nach links und rechts, sondern auch nach unten durch das Gitter schauen zu dürfen.

Nur wenige Kilometer weiter liegt ’Ksan, ein historisches Indianerdorf. Neben ein paar nachgebauten Langhäusern, einer Kunstschule für traditionelles Holzschnitzen, einem Museum und einer Kunstausstellung wurden einige Totempfähle errichtet, zum Teil Reproduktionen von historischen Pfählen. Ein paar Kilometer weiter im Gitxan-Indianerdorf Kispiox stehen an der passend Totem Drive genannten Straße etwa 15 weitere aus Rotzedern geschnitzte Pfeiler. Übrigens liest man Totempfähle von unten nach oben. Die Geschichte wird erzählt vom soliden Sockel bis zur Figur an der Spitze, die zum Himmel und auf unbegrenzte Möglichkeiten deutet. Ironischerweise – oder soll es Hoffnung ausdrücken? – stellt die oberste Figur des zum Gedenken an die Eröffnung des Museumsdorfes 1970 in ’Ksan aufgestellten Totems einen weißen Regierungsvertreter in strammer Haltung mit Zylinder und Fliege dar. Darunter befinden sich Symbole für die lokalen Clans wie Adler, Wolf, Fisch und Moskito.

35 km südlich muss der Bulkley River den engen Moricetown Canyon passieren. Unterhalb eines niedrigen aber tosenden Wasserfalls stauen sich die Lachse, um auf den richtigen Moment für den Sprung stromaufwärts zu warten. Die dort lebenden Wet’suwet’en-Indianer haben sich ihr seit Urzeiten bestehendes Recht erhalten, Lachse mit hakenbewehrten Stangen zu stechen. Wir legen einen langen Stopp bei den Lachsfischern ein, haben aber nur kurz Gelegenheit, die traditionelle Fangmethode zu beobachten. Denn auch für die Ureinwohner haben sich die Zeiten geändert. Die Anzahl der Fische, vor allem der begehrten Jack Sockeye, geht zurück. So haben die Indianer neben den Stromschnellen eine Fischtreppe gebaut, um den Lachsen den Aufstieg zu erleichtern. Die meisten Fische werden heute stattdessen mit einem Käscher aus dem Wasser geholt, gewogen, vermessen und registriert. Nur jeder dritte Fisch geht an die Gemeinschaft, die restlichen Tiere werden in Wasserbehälter verfrachtet, auf Pick-ups verladen und weiter flussaufwärts wieder ausgesetzt, um ihre Laichchancen zu erhöhen. Die zum Verzehr bestimmten Lachse werden nur an indianische Gemeindemitglieder verteilt, die wiederum registriert werden, damit die Verteilung gleichmäßig und gerecht von statten geht. An einer einzigen offiziellen Verkaufsstelle kann man als Außenstehender frische und selbstgeräucherte Lachse zu relativ gepfefferten Preisen erstehen.

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