Okanagan Valley, British Columbia – Weinproben und Schulbusbewohner

Bei Vernon erreichen wir das Okanagan Valley, eines der touristisch am besten erschlossenen Gebiete British Columbias. Das Tal gilt als nördlichster Zipfel des intramontanen Beckens, das sich zwischen Sierra Nevada bzw. Kaskaden im Westen und den Rocky Mountains im Osten von Mexiko durch den gesamten Westen der Vereinigten Staaten bis in den Süden Kanadas zieht. Die Region soll erholsam unkanadisches Wetter haben: trocken und heiß. Davon ist heute nichts zu merken, es hat mit 12° und Dauerregen ab vormittags eher Alaska-Qualitäten. Das Okanagan Valley liegt auf gleicher geographischer Breite wie das Rheintal von Mainz nach Karlsruhe und folgerichtig wird auch hier Wein angebaut. De facto ist es das größte kanadische Weinanbaugebiet mit fast 90 Weingütern. Wir werden es nicht mal ansatzweise schaffen, alle zu besuchen, aber selbst wenn man sich Selbstbeschränkungen auferlegt ist es dennoch ein herausfordernder Job, sich von Weinprobe zu Weinprobe durchzuarbeiten. Ein wirklich harter Tag.

Die wenigen Campingplätze sind teuer und laut, weil am Highway. Wir fahren in der stark besiedelten Gegen eine Straße den Berg hoch. Hier stehen kaum Häuser, aber neben dem Wendeplatz am Straßenende ist auf dem Rasen ein ausrangierter Schulbus geparkt, der nicht in bestem Zustand scheint. Drinnen werkelt jemand und brennt gerade etwas auf der offenen Flamme eines Campingkochers an. Aus dem Fenster schaut ein vorsichtig ausgedrückt nicht sehr wohlhabender Mann. Er lebt offensichtlich in dem Bus, und das nicht gerade komfortabel. Sein graues Haar trägt er lang, um den Friseur zu sparen, genau wie das Geld für Rasierklingen, was in einen wuchernden Bart ausartet. Wir wollen von Ralph, so heißt er, wissen, ob wir uns dazu stellen können. Aber er hat offensichtlich Angst, dass zwei Fahrzeuge mehr Aufmerksamkeit erregen als eines und fürchtet vielleicht Konkurrenz. Er sucht Jobs als Pflücker. Kirschen, Pfirsiche, Nektarinen und Pflaumen sind schon reif, die Äpfel werden nicht lange auf sich warten lassen. Wir könnten uns auf ein unverkauftes Grundstück ein paar Meter weiter unten stellen, das sollte niemanden stören. Als wir ihm glaubhaft machen können, dass wir morgen wieder abfahren und sogar ein zugelassenes Fahrzeug mit gültigem Kennzeichen besitzen, ist er beruhigt und lenkt ein, aber wir stellen uns trotzdem auf das Nachbargrundstück. Eine Stunde später, wir sind beim Kochen, klopft es an die Tür. Es ist Ralph mit einem ziemlich großen Wasserkanister in der Hand. Er würde sich gerne einen Kaffee kochen, aber er hätte kein Wasser mehr. Ob wir ihm aushelfen könnten? Wasser haben wir genug. Er wäre auch nicht dazu gekommen, Zucker kaufen zu gehen, ob ich ein paar Päckchen für ihn hätte. Ich fülle ihm etwas ab und lege noch ein paar von den Ciabattabroten aus der Restaurantpackung dazu. Er entschuldigt sich, dass er nichts hätte, was er uns zurückgeben könnte. Singend und pfeifend läuft er über das Brachland zurück zu seinem Bus, offensichtlich haben wir jemanden glücklich gemacht.

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