Pemberton, British Columbia – Gletscherabgang – Spuren einer Katastrophe

Die Duffey Lake Road, wie der Hwy # 99 hier heißt, windet sich in einer endlosen Abfolge von Kurven in schwindelerregender Höhe über dem Cayoosh Creek. Leitplanken werden als überflüssig angesehen. Manchmal schaut man einfach lieber zu den Bergen hoch als zum Fluss hinunter. Obwohl der Cayoosh Creek diese seltene transparentgrüne Farbgebung hat als ob ein Schulkind seinen mit grüner Wasserfarbe getränkten Pinsel in einem Glas Wasser ausspült. Am Cayoosh Pass auf 1275 m Höhe kann man zu den drei Joffre Lakes wandern, türkisfarbene Kleinode inmitten von Bergen und Gletschern. Leider ist an langen Wochenenden wie diesem der Hike ausgesprochen populär. Danach geht es auf einer Strecke von 13 km gute 1000 Höhenmeter kontinuierlich abwärts. In Pemberton machen wir am Visitor Centre kurz Halt, da man hier seinen Abwassertank leeren kann.

Bis zum 6. August 2010 hätte man in der Nähe die Meager Hot Springs besuchen können, sollte man bereit gewesen sein, 70 km zu fahren, davon 35 km extrem schlechte geschotterte Forststraße. Doch leider sind die Thermalquellen nicht mehr erreichbar. Die größte Schlammlawine Nordamerikas hat die Piste dorthin einfach begraben. Am frühen Morgen des 6. August brach ein Stück des Gletschers vom Meager Mountain ab und riss Schlammmassen, Schotter und Steine mit sich in die Tiefe den Capricorn Creek hinunter und blockierte zeitweise den Lillooet River und die einzige Zugangsstraße in diese abgelegene Region. Die Meager Hot Springs waren wegen eines vorangegangenen Erdrutsches erst neu renoviert worden, für wenige Wochen geöffnet, und wegen der Augusthitze wieder gesperrt worden. Denn Hitze ist einer der Faktoren, die Lawinen begünstigen. Die vulkanisch aktive Gegend ist bekannt für Überflutungen, Steinschläge, Schnee- und Schlammlawinen – insgesamt 57 ernsthafte Abgänge wurden während der letzten 100 Jahre verzeichnet. Diesmal wurden 13 Menschen von den Steinmassen eingeschlossen, einige Minenarbeiter und etliche Camper, aber sie alle hatten sich rechtzeitig in höherem Gelände in Sicherheit bringen können, da der Lärm der anrückenden Gesteinsmassen sie rechtzeitig gewarnt hatte. Später wurden sie unverletzt per Hubschrauber geborgen.

Ein Einheimischer erzählt uns an der Besucherinfo, dass die komplett verschüttete Straße seit kurzem wieder befahrbar ist. Bagger hätten sich ihren Weg mitten durch die Geröllmassen gebahnt, um die Passage für die dort ansässigen Bergbauunternehmen zu öffnen. Wir folgen der Schotterpiste, anfangs ein fürchterliches Waschbrett, leider zu eng, zu kurvig und zu unübersichtlich um genügend Geschwindigkeit aufzunehmen, darüber hinweg zu gleiten, denn hin und wieder kommt Gegenverkehr. Später ist die Straße mit großen Steinen durchsetzt, die über das Fahrbahnniveau hinausragen, sodass man darüber rumpeln muss. Trotz gesenkten Reifendrucks ist das eine Bewährungsprobe für sämtliche Schrankinhalte. Am Zusammenfluss von Meager Creek und Lillooet River offenbart sich das gesamte Ausmaß der Katastrophe. Gletschereis hat sich mit Millionen Tonnen gemahlenem Steinmehl vermischt, Steine, Felsblöcke und Unmengen von Bäumen mit sich gerissen und auf über zwei Kilometer Breite die Landschaft unter sich begraben. Die Arbeitsmaschinen haben sich in wochenlanger Arbeit durch das Chaos gewühlt, um die Straße wieder freizulegen. Links und rechts türmen sich drei Meter hohe Geröllmassen auf. Wie durch ein Wunder ist ein Campingplatz 36 km vor den Thermalquellen verschont geblieben. Die Lawine hat sich geteilt und ist um den Campground herumgeflossen. So haben wir eine Übernachtungsmöglichkeit für heute Abend, aber außer einem Pärchen auf Motorrädern sind wir alleine.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.