Port Renfrew, Vancouver Island, British Columbia – Kahlschlag auf ganzer Linie

Anstatt auf direktem Weg nach Duncan zu fahren, drehen wir eine Runde über Sooke, Port Renfrew und den Cowichan Lake. Die teils schlecht asphaltierte Straße ist stellenweise eng, mit einspurigen Brücken und Spitzkehren, aber zumindest schon stellenweise frisch geteert. Sie führt durch Mischwaldflecken mit riesigen Bäumen, die vor unserer Zeit entstanden sind und mit Unterholz so dicht, dass selbst Wild es schwer hat hindurchzukommen. An den meisten Stellen aber sieht der Wald anders aus. Nadelwaldmonokulturen unterschiedlicher Altersstufen prägen das Bild. Stets  informieren Schilder stolz, wann wiederaufgeforstet wurde. Aber wie! Es ist nicht dasselbe. Der aufgeforstete Wald hat nichts, gar nichts mit der ursprünglichen Vegetation des Regenwalds zu tun.

Nur wenigen Menschen ist bekannt, dass es auch außerhalb der Tropen temperierte Regenwälder gibt. Leider sind diese genauso gefährdet wie die Tropenwälder. Über 50 % des kanadischen Regenwaldbestands auf Vancouver Island, and den Küsten und im Inneren British Columbias sind bereits abgeholzt und die wenigen mächtigen Forstkonzerne tun ihr Bestes, die Urwälder weiter zu dezimieren. Aber B. Cs. Arbeitsmarkt, seine Exporte und damit Einnahmen sind zu weiten Teilen abhängig von der Holzindustrie, wenn auch rückläufig. Daher erhalten die Unternehmen großzügige Abholzungsrechte und Handlungsfreiheit. Umweltschützer haben es nicht einfach, gegen monetäre Interessen anzukommen. Haben Regierung wie Bevölkerung bis vor wenigen Jahren mit Ablehnung und Ignoranz auf die Problematik reagiert, lenkte die Politik schließlich etwas ein und stimmte dem Erhalt einiger Regenwälder zu. Im Verlauf unserer heutigen Fahrt bekommen wir noch weit katastrophalere Umweltsünden zu sehen. Kaum jemand macht sich im Inneren Vancouver Islands die Mühe, Wälder verantwortungsvoll auszudünnen und wieder aufzuforsten. Clear Cuts, die vollständige Abholzung ganzer Landstriche, sind die billigste und effektivste Methode für die Forstunternehmen. Kilometerlange Berghänge sind dem totalen Kahlschlag zum Opfer gefallen. Zum Großteil ist nicht einmal aufgeforstet worden, was dramatische ökologische Auswirkungen hat: Bodenerosion, Nährstoffverlust und häufige Erdrutsche. An einigen Stellen wurden aus der Luft Grassamen abgeworfen zur „Begrünung“ der Hänge mit der Folge, dass sich Hirsche überproportional vermehren und zur Plage werden können, Waldtiere wie Pumas aber immer weniger Lebensraum finden. An machen Bergen ließ man winzige Waldflecken zwischen den Abholzungsfeldern stehen, die vermeintlich als Windbrecher dienen sollen um Erosion zu verringern. Dennoch wirkt der totale Kahlschlag verheerend.

Ein Stückchen intakten Regenwald kann man auf dem West Coast Trail durch den Pacific Rim National Park sehen. Der Fernwanderweg war früher Rettungspfad für Schiffbrüchige. Heute ist der Trail lange kein Geheimtipp mehr, sondern ein äußerst populärer Wanderweg mit reglementiertem Zugang. Mit Gebühren für Genehmigung, Reservierung, Fährverbindungen und Busrücktransport ist man für zwei Personen leicht weit über 500 $ los. Ausrüstung und Verpflegung muss man selbstverständlich selbst mitbringen. Mag der West Coast Trail ein grandioses Erlebnis sein, für uns außerhalb des Rahmens.

Womit wir beim zweiten Thema wären, das mich heute berührt: BC, kurz für British Columbia, scherzt man, heißt „bring cash“ – bring Bares. Das Preisniveau soll insgesamt höher sein als das in den anderen Provinzen, was sich für den Reisenden zunächst nur teilweise bemerkbar macht. Kraftstoff ist teurer als in den anderen südlichen Gebieten, aber nicht so teuer wie im Norden. Lebensmittel bewegen sich auf dem üblich hohen kanadischen Preisniveau. Es sind eher die vielen „touristischen“ Ecken, an denen einem Geld bzw. unverhältnismäßig viel Geld abgeknöpft wird. Mein an sich äußerst zuverlässiger Hauptreiseführer ist 2008 gedruckt worden. Seitdem ist nicht nur jeder Eintritt teurer geworden, es hat sich auch sonst einiges geändert. Die Zufahrtstraße von Port Renfrew, einem ehemaligen Hippie- und Aussteigerdorf, zum Botanical Beach wird als ausgesprochen schlecht beschrieben. Heute ist sie asphaltiert, dafür muss man am Ende 3 $ fürs Parken bezahlen, wenn man bei Ebbe am Strand in den Gezeitentümpeln herumstöbern will. Am breiten Strand der San Juan Bucht soll man unorganisiert campen können. Unsere Hoffnungen zerstreuen sich an einem Schild an der Zufahrt: Tagesparken 10 $, Übernachten 25 $ – ohne Service, versteht sich. Weiter am Cowichan Lake fahren wir eine Runde um den See. Die drei hier aktiven Forstunternehmen haben etliche Forestry Service Campgrounds eingerichtet, die man in winzige Flecken Regenwald platziert hat. Trotz der schönen Umgebung sieht es nicht immer gepflegt und sauber aus, die Plumpsklos machen keinen sehr einladenden Eindruck. Vielleicht ist das nahende Saisonende der Grund. Bezahlen muss man jedoch den vollen Preis: zwischen 17,50 und 22,50 $. Kostet die Nacht. Genau so viel haben wir in den gut besuchten Banff und Jasper Nationalparks gezahlt, doch jetzt stehen wir mitten im Niemandsland in einem Wald an einer Schotterpiste mit null Infrastruktur drum herum. Ein stolzer Preis. Mein Reiseführer besagt, am Cowichan Lake gibt es genügend Möglichkeiten zum „privaten“ Übernachten. Auch diese Aussage hat so keinen Bestand mehr. „Privat“, „verboten“, „nicht erlaubt“ lesen wir überall. Wo nichts geschrieben steht, finden wir eine Schranke oder Kette. Am ganzen See finden wir einen einzigen Parkplatz ohne Verbotsschild. Hier steht schon ein Jäger, und wir gesellen uns für die Nacht dazu.

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