Tofino, Vancouver Island, British Columbia – Seenebel am Treibholzstrand

Ein zweites Mal fahren wir über den Cowichan Lake, da wir Port Alberni über Logging Roads, geschotterte Forststraßen, erreichen wollen. Der Regenwald sieht, zugegeben, bei Sonnenschein nicht mehr ganz so mystisch aus. Wir passieren Nitinat River, der in den Nitinat Lake mündet, den einzigen Gezeitensee Kanadas, der bei Flut mit dem Meer verbunden ist, bei Ebbe nicht. Jetzt im Spätsommer soll die Zeit besonders gut sein, um Salzwasserfische, im Süßwasser gefangen, angeln zu können. Wir müssen einen weiten Umweg tief ins Landesinnere hinein nehmen um den 50 km langen Meeresarm Alberni Inlet zu umfahren. Bei Port Alberni erreichen wir den Hwy # 4 und biegen wieder zur Westküste ab. Diese Strecke gilt als das Beste, was Vancouver Island zu bieten hat. Und wirklich: schön ist es hier. Die teils enge Straße biegt und windet sich nach oben und unten, nach links und rechts, manchmal dicht an Felswänden entlang. Bewaldete Berge säumen die Strecke. Zunächst geht es am Sproat Lake entlang, dann begleitet uns der Kennedy River, ein lustiger Fluss, dessen Bett aus riesigen geglätteten Felsbrocken besteht, auf denen man an vielen Stellen herumklettern kann. Plötzlich verschwindet der Fluss, die Straße sackt steile 18 % runter, um am Kennedy Lake herauszukommen. Wo ist der Fluss geblieben? Ein Wasserfall vielleicht? Sehen konnte ich keinen. Das Seewasser glitzert in der Sonne, Landschaft und Wetter machen gute Laune.

Nur wenige Kilometer weiter stößt Hwy # 4 auf die Küstenstraße, die zwischen Ucluelet im Süden und Tofino im Norden durch den befahrbaren Teil des Pacific Rim National Park verläuft. An der Kreuzung erwartet uns eine Überraschung: Nebel. Die gesamte Küstenlinie ist von dichten Schwaden umgeben. Wir fahren bis Ucluelet, einem nicht ganz so überlaufenen uninteressanten Touristenort, und dann zurück Richtung Tofino. Wir parken am berühmten Long Beach, einem kilometerlangen Sandstrand, der der schönste in ganz British Columbia sein soll. Riesige Treibholzstämme liegen zwischen Strand und Wald, von Flut und nicht zu unterschätzenden Wellen angespült. Auf dem Strand liegen außerdem jede Menge seltsamer brauner Gummischlangen herum. Sie sind mehrere Meter lang und verjüngen sich zu einem Ende hin. Das dickere Ende mündet in einen Ball, an dem gut einen halben Meter lange Gummibänder hängen. Das gummiartige Material des Schlauchs ist ein bis zwei Zentimeter dick und extrem stabil. Man kann sich darauf stellen, ohne dass es sich verformt. Die Gebilde sind Bull Kelp, eine große Riesenseetangart, für die es keine deutsche Bezeichnung gibt, die in kalten flachen Gewässern des Nordpazifiks gedeiht und vielen hundert anderen Spezies Nahrung und Lebensraum bietet. Das dünne Ende ist mit einigen Wurzeln ausgestattet, mit denen sich die Pflanze an einem Stein am Boden festklammert. Der Ball ist der Schwimmkörper, der die Alge aufrecht hält und dem Licht zuführt, die Gummibänder sind die „Blätter“. Der Ball ist zum Auftrieb mit genügend Kohlendioxid gefüllt, ein kleines Huhn zu ersticken. Bull Kelp gehört zu den am schnellsten wachsenden Lebewesen der Erde. An sonnigen Tagen sollen sie bis zu 60 cm zulegen können, im Durchschnitt immerhin 20 cm. Ihre Maximallänge beträgt um 30 m, aber sie leben nur ein Jahr. Dann sterben sie ab und werden an die Strände gespült.

Baden ist wegen des kalten Wassers und der Unterströmung nur etwas für Unentwegte, aber die Küste ist berühmtes Surfrevier. Irgendwo da draußen im Nebel erspähen wir zwei einsame Wellenreiter. Viel mehr werden es wohl nicht sein, denn die Saison ist so gut wie vorbei. Auf den Parkplätzen stehen fast keine Fahrzeuge mehr, am sonst vollen Strand sind kaum Menschen, aber regelmäßig begegnen wir einigen späten deutschen Urlaubern, denn Deutsche lieben British Columbia. Man kann lange Wanderungen am Strand oder durch die angrenzenden Wälder unternehmen, aber leider ist kaum etwas zu sehen. Die Gegend ist bekannt für ihre Seenebel, auch wenn hinter den Bergen die Sonne scheint.

Wir fahren die Straße bis Tofino zu Ende aus reiner Neugier. Das wenig sehenswerte „Touristenkaff“ besteht aus Hotels, Restaurants und Veranstaltern. Hier kann man Kanu- und Kajakausflüge, Surfkurse, Walbeobachtungstrips, Angeltouren, sogar Tauchgänge buchen. Wir schauen eine Weile den zurückkehrenden Angelausflüglern zu, wie sie ihren Fang wiegen, ihre Fische geköpft und ausgenommen werden. Die Möwen machen einen Mordsspektakel, wenn die Innereien im Wasser landen, aber sie sind so vollgefressen, dass sie nicht einen Flügelschlag investieren und die mögliche Beute achtlos versinken lassen.

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