Telegraph Cove, Vancouver Island, British Columbia – Viele Buckelwale, keine Orcas

Zum Frühstück gibt es bei Dave frisches, selbstgebackenes Vollkornbrot. Lecker! Dann eilen wir in den Norden der Insel nach Telegraph Cove, wo wir mittags sein müssen. Wir haben dort eine Walbeobachtungstour gebucht. Auch wenn die 105 $ pro Person (inkl. Steuer) nicht wenig sind, das gehört einfach dazu. Warum muss es ausgerechnet Telegraph Cove sein mit der weiten Anfahrt ans nördliche Inselende, wo doch überall auf dem Eiland Whale Watching Tours angeboten werden? Nicht nur unser ziemlich zuverlässiger Reiseführer, sondern vor allem Gespräche mit anderen Reisenden und Kanadiern haben uns überzeugt, die Fahrt auf uns zu nehmen. Bei „Stubbs Island“ werden Walausflüge seit über 30 Jahren angeboten, es sind stets Biologen oder anderes kundiges Personal an Bord und es werden zwei große Verdrängerboote eingesetzt. An vielen anderen Stellen werden Schlauchboote benutzt, und zwar überall da, wo die Entfernungen zu den Beobachtungsplätzen so groß sind, dass man sie besser mit einem schnellen Speedboot überwindet. Nun ist so eine raue Zodiacfahrt nicht jedermanns Sache. Es ist zugig und auch wenn man Schutzkleidung erhält ist man den Elementen doch recht ausgesetzt. So mancher Fahrer sieht in dem Schlauchbootritt mehr Vergnügen denn in der Tierbeobachtung und kostet das entsprechend aus, wurde uns berichtet. Teils haben wir in Tofino selbst beobachten können, wie Zodiacfahrer immer wieder über ihre eigene Bugwelle gefahren sind, um die Fahrgäste zum Kreischen zu bringen und ihnen vermeintlich Vergnügen zu bringen. Wer weiß, vielleicht hat es ja geklappt.

Wir fahren mit dem neueren Aluboot MV Lukwa, dem erfahrenen Kapitän und der Naturalistin aufs Meer hinaus, wo uns dichter Seenebel empfängt, der sich später zeitweise lichtet und Sonnenschein hindurch lässt. Die Inselwelt ist bezaubernd, wie sie zwischen den Nebelschwaden auftaucht, aber unzugänglich. Steile Felsküsten säumen die Eilande, im Inneren stehen Bäume dicht an dicht, von Nebelschwaden umflort. Nur wenige kleine Strände laden zum Anlanden ein. Auf den flacheren Felsstücken sonnen sich kleine dicke Robben, oder sie schwimmen eifrig umher, strecken ihr rundes Köpfchen aus dem Wasser und lugen mit ihren schwarzen Knopfaugen neugierig herum. Einer Schulklasse Kajakfahrern nähern sie sich auf Armeslänge. Die steileren Abschnitte werden von Seelöwen eingenommen, die dank ihrer größeren Vorderflossen besser klettern können. Wir beobachten eine Kolonie Männchen, die laut und recht geruchsintensiv ist. Die jüngeren kleineren Männchen, die noch keine Chance auf die Eroberung eines Weibchenharems haben, schwimmen erst gar nicht zu den weiter nördlich gelegenen Paarungsgebieten, wo sie nur verjagt würden. Die speckfaltigen, bis zu einer Tonne schweren Paschas residieren auf den oberen Rängen. Sie sind bereits von den Paarungsgründen zurückgekehrt, die Weibchen werden mit ihren Kälbern in Kürze folgen.

Besonderes Glück haben wir heute mit den Buckelwalen, die sich uns reichlich zeigen: Blas, Rückenflosse, Rückenflosse, Rückenflosse, Schwanzflosse, weg. Bis zum nächsten Mal. Die Naturalistin kann alle von ihnen anhand ihrer individuellen Zeichnung an der Schwanzflosse identifizieren. Manchmal weiß man genau, wo der nächste Wal auftaucht. Wasservögel haben ihre eigenen Fangtechniken entwickelt. Haben sie einen Schwarm kleiner Fische, wie z.B. Heringe, ausgemacht, stürzen sich die Schwimmvögel wie Möwen von oben auf die Beute, während Tauchvögel wie Kormorane von unten angreifen. Der Fischschwarm ist gefangen zwischen zwei Lagen Vögeln. Dann kommt der Wal, öffnet sein Maul und räumt alles ab. Das kündigt sich dadurch an, dass alle Schwimmvögel auf einmal abheben. Dann weiß man, in wenigen Sekunden kommt der Wal zum Luft holen an die Oberfläche. Der muss übrigens aufpassen, dass er nicht aus Versehen einen der Tauchvögel mit ins Maul bekommt. Die Gaumenspalte eines Buckelwals ist nur etwa handbreit. Da er den Vogel nicht schlucken könnte, müsste er die gesamte Fischladung wieder freilassen. Ein paar Delfine reiten auf unserer Bugwelle, und wir beobachten einige Fischadlerpärchen, die ein Leben lang zusammen bleiben und die uns skeptisch bis grimmig beäugen. Meist überlebt nur das stärkste Küken eines Geleges. 2010 aber, im Jahr des „größten Salmon Run aller Zeiten“ – zumindest der letzten Jahre – wo 35 Millionen Lachse anstatt 1,5 Millionen die Flüsse hinauf gezogen sein sollen, haben auch die Fischadler profitiert. Viele Elternpaare konnten zwei Küken groß ziehen, die alle schon wohlgenährt das Nest verlassen haben. Übrigens sind Fischadler recht gute Schwimmer, wenn auch ihre Technik nicht eben einen Preis in der Kür gewinnen würde. Ergreifen sie unter der Wasseroberfläche einen Fisch, der zu schwer ist als dass sie damit abheben könnten, den sie aber nicht entkommen lassen wollen, paddeln sie mit den Flügeln im Wasser und schleppen den Fisch in den Krallen hinter sich her. Sie zerren ihn dann ans Ufer oder auf einen Stein, wo sie ihn zerlegen.

So viel Glück wir heute mit den Walen auch haben, Orcas zeigen sich uns nicht. Insgeheim haben wir die Tour vor allem wegen der Killerwale gebucht, die wir in freier Natur bis dato noch nicht zu Gesicht bekommen haben. Auch heute klappt es nicht, daher bleibt uns ein weiteres Ziel auf unserer Südamerikawunschliste.

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