Browning, Montana – Von den Bergen in die Prärie

Der Glacier Nationalpark besitzt, im Gegensatz zu dem, was der Name vermuten lässt, kaum noch sichtbare Gletscher, dafür aber die typischen Rocky Mountains Panoramen. Zusammen mit dem auf kanadischer Seite angrenzenden Waterton Lake Park bildet er den International Peace Park, den Internationalen Friedenspark. Am Avalanche Creek laufen wir entlang des gleichnamigen Canyons zum Avalanche Lake, dem Lawinensee. Ob der Name selbsterklärend ist? Das Wetter ist wundervoll, die Schönwetterperiode verlässt uns  nicht, obwohl der Morgen mit Herbstnebeln aufwartet. Die Nächte sind frostig, und auch tagsüber bleibt die Temperatur einstellig, aber die Raureif überzogenen Büsche lassen die Landschaft noch friedlicher wirken. Auf dem Wanderweg liegen fliederfarbene und türkise Steine, aber der Bach hat sich seinen kurvigen Weg durch dunkelrotes Gestein geschnitten und es dabei geglättet. Über viele Stromschnellen saust das Wasser bergab, das blaugrün und glasklar ist als ob jemand Fichtennadelschaumbad hineingekippt hat. An breiteren Stellen des Bachbetts liegen Zedern kreuz und quer, von Sturm oder Krankheiten gefällt. Manche Bäume sind mit Flechten und Moosen überzogen und sehen aus, als ob sie ihren Winterpullover schon übergezogen hätten. Ganz hinten am See, als noch kein thermischer Wind eingesetzt hat, spiegeln sich die umliegenden Berge mit der Sonne im Rücken perfekt auf der Wasseroberfläche. Und das Beste: Wir sind allein. Während der Saison sollen hier wahre Völkerwanderungen stattfinden. Auf dem Weg nach unten begegnen uns dann auch mehr und mehr Wanderer, auf dem Parkplatz stehen die Leute vor Arminius schon Schlange, und wir erhalten noch mehr Einladungen.

Wir verlassen den Park und umfahren ihn ostwärts auf Hwy #2. Nach einigen Passüberquerungen landen wir in einem unendlich scheinenden Hochtal, das auf 1600 m Höhe beginnt. Hügel, baumlose Prärie, vertrocknete Grassteppe erstrecken sich bis zum Horizont. Schlagartig hat es 20°C. Auf riesigen Flächen werden Rinder, Bisons und Pferde gezüchtet. In meiner Phantasie kristallisieren sich auf dem nächsten Hügel ein Indianer auf einem braun-weiß gescheckten Pferd und dahinter eine Tipi-Siedlung heraus. Auch wenn es sich hierbei um eine sehr eingeschränkte, durch zahlreiche Westernfilme geprägte Vorstellung handelt, wir fahren durch ein Indianerreservat. Es gehört den Blackfoot, den Schwarzfußindianern. Diese Reservate, nichts anderes als riesige Ghettos, kennt man nur aus den USA. Ob das gut oder schlecht ist, ist eine andere Sache. Am Hauptort Browning gibt es wenig Bemerkenswertes außer dem Spielkasino. Die meisten Indianerreservate besitzen heute Casinos, da sie diese aufgrund ihrer Souveränität auch an der Staatsgesetzgebung vorbei eröffnen dürfen. Zur Förderung des Tourismus darf man hier sogar kostenlos campen. Uns ist dennoch zu viel Betrieb, und wir fahren auf einem kaum frequentierten Highway zum nächsten Rastplatz, wo wir ebenfalls legal und ganz einsam den Sonneuntergang und den damit verbundenen prärietypischen Temperatursturz würdigen.

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