Denver, Colorado – Gesundheit aus der Pillendose

Am Peak-to-Peak Highway # 7 und 72 geht es der Rocky Mountain Bergkette entlang nach Süden in Richtung Denver. Die Straße hat ihren Namen verdient, sie verläuft tatsächlich von Gipfel zu Gipfel zwischen 2.500 und 2.800 m. Immer noch Sommersonne, kein Schnee – welch ein Glück. Für einen Einkaufsstopp kommt man nicht um die Großstadt Denver herum. Unsere übliche Runde führt uns zu Costco, der nicht nur Lebensmittel in großhandelsüblichen Mengen anbietet, sondern auch Spielzeuge, Bücher, eine begrenzte Auswahl saisonaler Kleidungsstücke und Elektronik. Besonderes Staunen erweckt bei mir die Drogerieabteilung. Seife gibt es im 20er-Pack. Schafft man es in einem Leben, 20 Stück Seife aufzubrauchen oder muss man die vererben? Seit Erfindung der Flüssigseife eine ernstzunehmende Frage. Völlig ratlos stehe ich vor den Regalen mit rezeptfreien Medikamenten, die auch in jedem Supermarkt verkauft werden. Allergien, Augentrockenheit, Erkältung und vor allem Schmerzen. Wie alles gibt es auch die Schmerzmittel bei Costco in der Großpackung. Die Pillen liegen in Plastikschraubbehältern, die kleineren mit 400, die großen mit unglaublichen 1200 Tabletten. Was macht man damit – einen illegalen Internethandel eröffnen? Mit dem Nachbarn teilen? Blumen düngen?

Wenn man ein bisschen tiefer in die amerikanische Gesellschaft hineinschaut, erklärt sich so manches. Schmerzpillen wirft man sich hier wie Drops ein. Viele Amerikaner nehmen jeden Morgen ein paar davon – nicht nur gegen vermeintliche Schmerzen, sondern um sich besser zu fühlen, leistungsfähiger zu sein, gut durch den Tag zu kommen, fit zu sein für den Job. Überschreitet man die empfohlene Tageshöchstdosis von acht Tabletten nicht, würde man die kleine Abpackung in weniger als zwei Monaten aufgebraucht haben, die große in fünf Monaten. Teilt man sich die Großpackung vielleicht mit dem Partner – „Schatz, möchtest du gerne ein Pillchen zu deinem Kaffee!“ – oder mischt den Kindern ein paar davon unter die Smarties, ist die Dose auch schon ratzfatz leer.

Der Umgang mit Nahrungsergänzungsmitteln ist übrigens nicht viel anders. Manche Amerikaner nehmen täglich dutzende von Vitaminen, Spurenelementen, Vitalstoffen und was auch immer in Form von Brausetabletten, Kapseln oder bunten Kugeln zu sich. Vielleicht braucht man das, wenn man sich mit Fastfood und Fertigprodukten ernährt? Auf jeden Fall ist der Glaube an die chemische Gesundheit weit höher ausgeprägt als der an eine gesunde, ausgewogene Ernährung.

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