Canyonlands National Park, Utah – Die Geschichte von Flussbett und Treibsand

Über die # 191 und # 212 geht es in den Needles District des Canyonlands National Parks. Ca. 20 km nach der Abbiegung steht der Newspaper Rock, eine felsüberdachte, schwarz erodierte Sandsteinwand mit unzähligen Petroglyphen. Die Stelle gilt als beste von der Straße zugängliche präkolumbische Steinkunst. Die etwa 2000 Jahre alten indianischen Felszeichnungen von Symbolen, Tieren, Menschen und Körperteilen (bemerkenswert sind die zahlreichen Füße mit sechs Zehen) sind kreativ und sehr deutlich. Über ihren Zweck gibt es bis heute nur Spekulationen. Ein hübsches Fotomotiv in jedem Fall.

Der Needles District hat vor allem zwei Dinge zu bieten: lange Wanderungen und die anspruchsvollsten Off-Road-Trails ganz Utahs. Das alles immer verbunden mit spannenden Ausblicken in die rote Schluchtenlandschaft. Im Visitor Center des Parks rät man uns von den langen Wandwegen ab. Zu viel Eis und Schnee hinterlässt schattige Stellen glatt und Kletterpartien, die an sich schon anspruchsvoll und wenig geeignet sind für Schwindelanfällige, gefährlich. Selbst mit Spikes an den Schuhen würde uns an ungesicherten Stellen der Halt fehlen. Nicht dass uns jemand die Wanderungen oder das Abstürzen verbieten würde…Amerika ist ein freies Land! Auch einige der Fahrzeugtrails sind wegen Schnee und Eis gesperrt, doch nach ernsthafter Inaugenscheinnahme unseres Expeditionsmobils kommt die kundige Rangerin zu dem Schluss, die Piste zum Colorado River Outlook, die heute als „nicht empfehlenswert“ kategorisiert ist, sollte unserem Fahrzeug keine Probleme bereiten.

Hätte sie auch nicht, wenn wir unsere Augen offen gehalten hätten, wenn wir den Wegweiser nicht übersehen hätten und wenn wir nicht in das Flussbett hinein gefahren wären. Sind wir aber, trottelig den Spuren der anderen unaufmerksamen Fahrer folgend. Dass die Spuren irgendwann aufhören, gibt uns zunächst nicht sonderlich zu denken. Dass der Fluss, dem wir jetzt in Längsrichtung folgen, immer tiefer wird, lässt schon ein paar Fragezeichen im Hirn aufleuchten, denn für einen Jeep wäre der Wasserstand bereits viel zu hoch. Andererseits hatte die Rangerin gesagt, wir müssten irgendwo zugefrorenes Wasser durchqueren, aber das Gewicht unseres Fahrzeugs würde uns einfach durch die Eisdecke brechen lassen, und damit wäre die Stelle ungefährlich. Also weiter. Wir krachen durchs Eis des Flusses, der ständig enger wird. Ich befreie ein paar Büsche von überflüssigen Ästen, andere zerre ich zur Seite, damit wir durchpassen. Auf der rechten Seite des Flussbetts befindet sich jetzt eine kleine Steilwand, auf der linken Seite große, bis zu einem halben Meter hohe Steine, über die wir teilweise hinweg fahren müssen, da die Passage zu schmal wird. Dann wird es noch enger, es sind nirgendwo Reifenspuren zu sehen, wo ist der Ausweg? Es gibt keinen. Das sagt uns eine kurze Erkundung des Geländes zu Fuß. Wir müssen zurück. Rückwärts durch das Nadelöhr und über die beängstigenden Steine zu fahren liegt irgendwo zwischen keine gute Idee und gefährlich. Also umkehren. Kurz bevor es gar nicht mehr weitergeht beschreibt der Fluss eine Kurve, in der das Bett breiter ausgewaschen ist und sich das Wasser in eine Ecke zurückgezogen hat. Jörg holt aus zum Wenden, da beginnt das linke Vorderrad in den Treibsand einzusinken. Die Kabine neigt sich in einem ungesunden Winkel zur Seite, droht umzukippen. Mein Herz setzt einen klitzekleinen Moment aus, bevor es das Adrenalin in die Venen pumpt.

Das Tolle an einem Unimog ist, dass man mit einem kurzen Kupplung treten und einem einfachen Hebelziehen schnellstmöglich in den Rückwärtsgang wechseln kann. Jörg reißt geistesgegenwärtig am Hebel und beginnt rückwärts zu kriechen. Hätte sich der Hinterreifen ebenfall eingegraben, wäre es um Arminius geschehen gewesen. Manchmal braucht man eben etwas Glück. Das Hinterrad fasst und langsam bewegt sich Arminius aus der Gefahrenzone. Doch der schwierige Teil kommt erst: rückwärts durch das problematische Flussbett fahren. Fühlt es sich in der Kabine schon äußerst beunruhigend an, wenn sich das Fahrzeug weit zur Seite neigt. Von außen sieht es einfach unsäglich aus, wenn Jörg einseitig über einen der riesigen Steine klettert. Ein paar mal wird es noch haarig, wenn das rechte Hinterrad droht, den Steilhang hochzuklettern – das hätte eine wörtlich umwerfende Wirkung. In gemeinsamer Arbeit manövrieren wir Arminius zurück bis zu einer sicheren, da festen Wendemöglichkeit im Fluss. Bis auf einen verbogenen Tagfahrlichthalter (der sich später zurück biegen lässt) und einen abgerissenen hinteren Schlammfänger (den finden wir nicht wieder) haben wir keine Schäden zu verzeichnen. Zwei Stunden später nähern wir uns auf der Suche nach dem Gummilappen dem Fluss zu Fuß von einer anderen Seite. Die Reifenspur im Treibsand hat sich so schnell wieder gefüllt wie wir sie reingefahren haben. Die Wasseroberfläche ist wieder zugefroren als ob wir nie dagewesen wären.

Dem Flussbett entfliehend finden wir die richtige Abzweigung und den vorher übersehenen Wegweiser und begeben uns auf den richtigen Pfad. Doch auch diese Strecke hat ihre Tücken. Einfache Sandpassagen wechseln sich ab mit anspruchsvollen Felsklettereien von zunehmendem Schwierigkeitsgrad. Viele scheitern vor den beachtlichen Steinstufen, warnte uns die Rangerin, aber unser Arbeitstier meistert das alles mit gleichmütigem Brummen. Der nach 12 anstrengenden Kilometern willkommene Colorado River Outlook ist auch nicht unspannend. Die natürliche Felsnase muss man sich erklettern, Sicherungen gibt es nicht, doch die Aussicht raubt den Atem.

Da stellt sich wieder einmal die Frage: Muss denn dass immer sein, diese Aufregung? Nein. Man kann sich ein Wohnmobil kaufen und gemütlich auf dem Highway # 1 von Nord nach Süd durchbrausen. Oder doch lieber ganz zu Hause bleiben? Aber wenn man schon mal einen Unimog hat…

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