Page, Arizona – Beamtenneugier

Nach dem Passieren des uns bereits bekannten Cortez und dem Four Corners Monument betreten wir wieder Neuland. Auf Hwy # 160 fahren wir erstmalig richtig nach Arizona hinein in das ausgedehnte Reservat der Navajo und Hopi Indianer. Bei jedem „Grenzübertritt“ von einem US-Staat in den anderen müssen kommerzielle Trucks eine Wiegestation anfahren. Zu unserer Überraschung winkt uns der Beamte heraus. Ob er denkt wir seien ein Liefer-Lkw oder ob es sich um reine Neugier handelt, weiß nur der große Manitu. „Was habt ihr da für ein Fahrzeug?“, will er wissen. „Einen Camper.“ Er möchte hineinsehen, also schließt Jörg die Kabinentür auf. “Wow, ist das schön. Was macht Ihr so? Studien?“ „Wir reisen und schreiben darüber.“ „Über Natur? Über Tiere?“, fragt der Navajo. „Ja, auch.“ Einem Geistesblitz folgend meint er: „Und über Leute in Arizona, die Euch anhalten?“ „Genau.“

Wir fahren weiter, ohne dass Fahrzeugpapiere, Pässe oder die Waage zum Einsatz gekommen wären. Es war wohl doch mehr Neugier. Die Quecksilbersäule nähert sich von unten dem Nullpunkt und klettert schließlich darüber hinaus. Die Dicke der Schneedecke verhält sich umgekehrt proportional zum Temperaturanstieg. Ein Schild weist nach Süden zum Canyon de Chelly. Der sehr lohnenswerte Abstecher führt zu einem bis zu 300 m tiefen Canyon mit ebenem, grün bewachsenem Boden, der seit Urzeiten landwirtschaftlich genutzt wird. Es gibt eine schöne Panoramastraße und eine Wanderung in die Nähe von Cliff Dwellings, einer Klippensiedlung. Später fahren wir am Navajo National Monument vorbei, wo es Steinformationen und weitere Felsenwohnungen zu bewundern gibt. Wir überspringen beide Ziele, da wir sie schon auf einer früheren Reise besucht haben.

In Page, Arizona, hat es 10° plus und der Schnee ist rotem Sand gewichen. Fünf Kilometer östlich der Stadt befinden sich zwei bekannte Schlitzschluchten, die wir besuchen möchten. Dafür ist es heute zu spät, das Licht ist am Morgen besser, aber aus einem Instinkt heraus wollen wir uns lieber vorab erkundigen. An den Upper Antelope Canyons ist schon mal niemand, dafür findet sich an den Lower Antelope Canyons auskunftsfähiges Personal. Die Indianer halten die Schluchten für eine einträgliche Einnahmequelle, ohne Führer und saftigem Eintrittsgeld kommt keiner hinein. Die Jungs wollen halt auch leben. Was wirklich stört ist das hässliche Kraftwerk mit ungesund gelb rauchenden Schloten, das genau an den Zugängen zu den Canyons steht. Angesichts des Glen Canyon Staudamms nur wenige Kilometer entfernt, der massenhaft Strom produziert, ist die Existenzberechtigung der Smogschleuder fraglich. Der Damm jedoch befindet sich bereits, wie die Stadt Page auch, auf Staatsland außerhalb des Reservats.

Völlig kostenfrei ist der Besuch des Horseshoe Bend des Colorado River unmittelbar südlich von Page auf Reservatsgebiet. Dieses vielleicht schönste Flussknie des grünen Colorado ist auf einem nur 800 m langen Weg (Einweg) zu erreichen. Fürs Foto muss man dann aber doch auf dem Bauch an die Felskante kriechen. Ein Stück nördlich kann man von einem Aussichtspunkt den Glen Canyon Dam, einen der großen Staudämme des Lake Powell, eingekeilt in die Schlucht des Colorado River, in voller Größe bestaunen und fotografieren. Am Ende des Tages werden wir dann doch wieder – ungeplant – in Utah, und zwar in der Stadt Kanab landen. Im Anschluss and den Staudammaussichtspunkt sind wir noch in das Besucherzentrum des Damms gefahren, das man unter dem Namen Carl Hayden Visitor Center findet. Es liegt unmittelbar hinter der Brücke über den Glen Canyon, die neben dem Damm verläuft. Damit entfallen aufwändige Polizeikontrollen wegen der Dammsicherheit. In der Touristeninformation gibt es reichlich Anschauungsmaterial über Lake Powell und die Funktionsweise der Staudämme. Auch Touren in den Glen Canyon Damm kann man hier buchen, aber leider ist es schon kurz vor Feierabend. Dafür bestätigt eine Rangerin, was ich schon befürchtet habe: Die einzige Möglichkeit, eine der wenigen begehrten Zugangsgenehmigungen für die Paria Wilderness zu erhalten, ist, persönlich ins BLM Field Office nach Kanab zu fahren. Da dieses am Wochenende geschlossen ist, müssen wir gleich losfahren, um am morgigen Freitag Früh dort zu sein. Ich ärgere mich zwar über die zusätzlichen 120 km (Hinweg), dafür ist es die Strecke auf dem Hwy #89 wert. Zunächst fahren wir an den schlängelnden canyonartigen Ausläufern des Lake Powell vorbei. Die Südseite des Grand Staircase – Escalante National Monument bezirzt uns wieder mir ihrer Vielseitigkeit. Diesmal sind es weiß und dunkelrot gestreifte Klippen, im Hinterland lugen hohe schneebedeckte Berge.

Aus unerfindlichen Gründen sind die Abendstunden hier dramatisch schön und unendlich lang, die Lichtstimmung macht sprachlos. Der Sonnenuntergang taucht Wolken, Felswände und Asphaltdecke in signaloranges Licht. Später entzündet sich am Horizont eine große tiefrote Ellipse genau da, wo die Sonne eine Stunde zuvor verschwunden ist. Das sind Momente, in denen ich weiß, warum ich reise.

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