Vermillion Cliffs National Monument, Utah – Die längste Schlitzschlucht der Welt?

Die andere große Attraktion dieser Gegend sind, neben den Coyote Buttes, die Paria River Canyons. Man kann diesem Wash fast 70 km bis nach Lees Ferry folgen, wo der Paria River in den Glen Canyon des Colorado mündet. Weite Teiles dieses Canyons sind Schlitzschluchten. Diese Mehrtageswanderung ist natürlich nur etwas für erfahrene Backpacker, und die tägliche Personenzahl ist ebenfalls begrenzt. Aufgrund der ungewöhnlich starken Regenfälle dieses Sommers führt der Paria River immer noch einen hohen Wasserstand und so sind die Canyons nicht begehbar. Der Ranger aus Kanab schlug uns eine Alternative vor. Vom gleichen Startpunkt wie zur Wave können wir durch die Slot Canyons des Wire Pass und anschließend des Buckskin Gulch laufen. Zwar kann man den Buckskin Gulch von einem anderen Parkplatz direkt erreichen, dann verpasst man den kurzen, aber charmanten Wire Pass.

Der Wash ist etwa 2,7 km lang, wovon nur der letzte Kilometer Slot Canyon ist, davor ist es einfach ein sandiges Flussbett. Die Schlucht hat mehrer Meter hohe Wände, hübsche Formen, birgt ein wenig Kletterei und ist stellenweise eng. Als Jörg einen gefrorenen Wasserfall fotografiert, ziehe ich mich hinter eine Ecke zurück, um meinen Morgenkaffee wegzubringen. Bevor ich mich in die Ecke hocke, sondiere ich gewohnheitsgemäß das Terrain und – oh Schreck – da liegt eine Klapperschlange, zusammengerollt, den Kopf auf den Körper gelegt. Zugegeben – es ist ein eher kleines Exemplar, fast noch ein Baby. Und das Beste daran: sie schläft. Sie ist mit offenen Augen auf kaltem Boden zum Winterschlaf erstarrt. (Was machen die eigentlich bei Springflut – können die schwimmen?) Aber sie ist dennoch eine Warnung. Immer wieder bekommen wir zu lesen, dass man sich in Slot Canyons vor Klapperschlangen in Acht nehmen soll. Wobei es natürlich mehr darum geht, die armen Kreaturen vor dem Menschen zu schützen. „Bitte stört keine Schlangen!“ Nee, würde mir im Traum nicht einfallen. Ich gehe hinter eine andere Ecke.

Der Wire Pass stößt dann auf den Buckskin Gulch. Dieser Slot Canyon ist insofern bemerkenswert, als dass er möglicherweise die längste Schlitzschlucht der Welt ist. Möglicherweise deshalb, weil es niemand so genau weiß – die Ranger nicht und auch nicht National Geographic, die eine Expedition hierhin ausgestattet hatten. Wie auch immer, 12 Meilen / 19 km sind eine beeindruckende Länge. Eine Meile liegt links, der Rest nach rechts, und so wenden wir uns zunächst dahin. Der Boden ist nass, überall stehen Tümpel, die zwar zugefroren sind, aber die Eisdecke trägt nicht mehr. Wir wursteln uns irgendwie außen rum, bis uns nach einigen Kilometern ein großer tiefer eisfreier Teich den Weg versperrt. Im Sommer watet man durch, aber im Winter ist das weniger lustig. Wir kehren um, um auch den oberen Teil, kürzeren Teil der Schlucht zu erkunden und wandern schließlich an der immer noch bewegungslosen Klapperschlange vorbei durch den Wire Pass zurück zum Auto.

Da wir heute Morgen wieder frühzeitig losgelaufen sind, ist es erst später Vormittag und es treffen weitere Tageswanderer ein. Ein junger Mann hat sich, ich traue meinen Augen kaum, eine Art kurzes kompaktes Surfbrett auf seinen Rucksack geschnallt. Welch pfiffige Idee. Er schwimmt auf seinem Brett einfach über die Tümpel. Wenn ich nicht schon wieder gute zehn Kilometer hinter mir hätte, würde ich ihn fragen ob er mich noch mal mitnimmt.

Kurz vor der Abfahrt kommt unser auskunftsfreudiger Ranger aus Kanab gefahren, um nach dem Rechten zu sehen, die Geldeinwurfbox zu leeren und zu kontrollieren, ob alle anwesenden Fahrzeuge die erforderlichen Genehmigungen besitzen. Für den Buckskin Gulch genügt es, sich zu registrieren und die Gebühren – 6 $ pro Teilnehmer – in einem dafür vorgesehenen Umschlag in die Kassette zu werfen. Wir plaudern noch ein wenig über unsere Wandererlebnisse, er erkundigt sich vorsichtshalber, ob wir den Weg zur Wave problemlos gefunden hätten, dann versichert er uns, dass wir heute Abend schon an unserem morgigen Wanderziel übernachten könnten.

Vorher aber fahren wir nach Old Paria, das nördlich des Hwy # 89 und damit wieder im Grand Staircase – Escalante National Monument liegt. Das BLM hat ein Warnschild aufgestellt, das 4-Rad-Antrieb und hohe Bodenfreiheit nahelegt, was wegen der momentanen Straßenschäden ernst zu nehmen ist. Von der historischen Stadt selbst ist nicht mehr übrig außer dem Friedhof. Paria war 1865 gegründet worden, musste aber schon fünf Jahre später wegen Querelen mit den Indianern am Paria Fluss stromaufwärts verlegt werden. Die veränderte Lage brachte dem Ort auch kein Glück. Noch bevor das neue Jahrhundert angebrochen war, zwang eine Springflut die Rancher und Farmer zur Aufgabe der Siedlung. Im letzten Jahrhundert diente der Platz als Filmkulisse für verherrlichende Westernfilme, u.a. mit Dean Martin. Der Clou aber sind zwei Picknicktische, die das BLM dort vor attraktiver Kulisse aufgestellt hat. Im Hintergrund bröckelt eine dunkelrote Deckschicht vor sich hin und gibt langsam die darunter vergrabenen, hunderte Meter hohen, versteinerten Sanddünen frei. Man hat das Gefühl, mit einem Riesenhandkehrbesen ein wenig nachhelfen zu müssen und die Bröckchen dazwischen zu entfernen. Die freigelegten Hügel haben das völlig verrückte Aussehen eines Streifenpullovers, den Oma aus Wollresten in sämtlichen Farben, die sie finden konnte, gestrickt hat.

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