Lees Ferry, Arizona – Am Beginn des Grand Canyon

Lees Ferry war einmal auf 800 km der einzige Punkt, den Colorado River zu überqueren. Es war und ist auf lange Sicht hin die einzige Stelle, wo die endlosen hohen Canyonwände einmal durchbrochen sind, sodass man an den Fluss gelangt. Von 1873 bis 1928 nutzte man eine Fähre, den Fluss zu überqueren. Aber auch heute noch gibt es dort beim Ort Marble Canyon die einzige Brücke über den Colorado zwischen Glen Canyon bei Page und dem Hoover Dam bei Las Vegas. In Lees Ferry gibt es heute nicht mehr viel zu sehen: ein paar alte Häuser; Dampfkessel, die vom gescheiterten Versuch zeugen, Gold aus dem umgebenden Stein zu waschen. Von einer im Flachwasser gesunkenen Fähre ist heute ebenfalls nur noch der Dampfkessel zu entdecken, von nur ein, zwei Meter tiefem klarem Wasser bedeckt. Die Holzteile wurden bereits fortgespült.

Der Glen Canyon Dam hat mehr verändert als nur den Bootsverkehr nach Norden hin zu blockieren. Das Wasser des Colorado River war vor dem Dammbau saisonal temperiert und schlammig-rot. Anwohner sagten früher über den Fluss, er sei zu dick zum Trinken und zu dünn zum Pflügen. Das Wasser, das heute von menschlicher Hand geregelt dem Damm entweicht ist klargrün und mit 8° C gleichmäßig kühl. Viele Pflanzen- und Tierarten sind verschwunden oder bedroht, andere neue, wie z.B. Forellen, haben sich angesiedelt.

Heute ist Lees Ferry vor allem bekannt für die Raftingtouren durch den Grand Canyon, die durchweg dort starten. Selbst heute legen einige Boote ab. Privatpersonen müssen bis zu zehn Jahre auf eine Genehmigung warten, den Colorado durch den Grand Canyon zu fahren. Wählt man einen der etablierten Veranstalter, muss man horrendes Geld bezahlen und ebenfalls lange im Voraus buchen. Dennoch befahren jährlich rund 22.000 Passagiere den Fluss durch die berühmte Schlucht.

Wir wandern noch ein wenig durch die Gegend des Marble Canyon, wie er hier heißt, und der den Beginn des Grand Canyon markiert. Wer sich nicht scheut, einige Kilometer schlechten Feldweg zu fahren (hohe Bodenfreiheit reicht aus), kann einige Kilometer flussabwärts noch einmal in den Marble Canyon hineinschauen. Der Ten Mile Rock, ein kantiger Felsmonolith, steht mitten im Colorado Fluss. Die Rafter von heute Mittag sind mittlerweile hier angekommen und bestaunen das große Stück Stein. Wir schauen ihnen von ein paar hundert Meter weiter oben zu. Dann schlagen wir uns weiter nach Westen in eine sich prärieartig öffnende Ebene. Die Berge links verschwinden zusammen mit dem Colorado nach Süden. Rechts begleiten uns die roten Vermillion Cliffs noch eine Weile.

Seit einigen Jahren versucht der US Fish and Wildlife Service hier eine zweite freilebende Population des California Condors aufzubauen. Die einzige andere befindet sich in Südkalifornien. In den 80er Jahren waren die Vögel bis auf zwei Dutzend Exemplare fast ausgerottet. Kalifornische Kondore gehören zur Familie der Neuweltgeier, sind demzufolge Aasfresser, haben eine Flügelspannweite von bis zu drei Meter und ein Gesicht, das nur eine Mutter lieben kann. Manchmal kann man die imposanten Gleiter hier kreisen sehen, doch heute scheint kein Flugbetrieb zu herrschen.

Dann taucht vor uns plötzlich ein Massiv auf und die Straße führt höher und höher bis auf 2.500 m hinauf auf das Kaibab Plateau. Auf einmal gibt es Bäume. Zunächst die klassische Wüstenkombination Wacholder-Steinkiefer, dann sogar Tannen und Fichten, die bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im Schnee stehen. Bei Jacob Lake zweigt der Hwy # 67 nach Süden ab und führt zum wenig besuchten North Rim des Grand Canyon. Eigentlich wollten wir von der Nordseite her in den Grand Canyon hinunter und wieder hinauswandern, nachdem wir das vor ein paar Jahren auf der massiv touristischen Südseite bereits getan haben. Doch der North Rim schließt im Winter konsequent nach dem ersten Schnee und öffnet erst im Frühsommer wieder. Wir haben für morgen eine Alternative gefunden, die uns über das entgangene Erlebnis hinwegtrösten soll. Zunächst aber fahren wir aus den kalten Schneebergen ins Tal hinab, wo auf der rechten Seite Utah und die westlichen Bergausläufer des Grand Staircase – Escalante National Monument auftauchen.

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