Toroweap, Grand Canyon National Park, Arizona – Das andere Ende des Grand Canyon

Knapp 900 m unter uns sieht der mächtige Colorado River fast wie ein Rinnsal aus. Die schieren Wände der Nordseite fallen steil zum Fluss hinunter. Die Südseite ist nur ein paar Vogelschwingen weit entfernt. Die Felsmassen im Osten bestehen aus rotem Sandstein. Wendet man seinen Blick nach Westen, sieht man schwarze Lava. Der Toroweap Point liegt im äußersten Westen des North Rim des Grand Canyon National Park, weit stromabwärts selbst von sommerlichen Touristenmassen. Die Schlucht bietet hier einen oft fotografierten, dramatischen Ausblick und ist doch selten besucht und wenig bekannt. Das mag an der Abgeschiedenheit des Toroweap Point liegen. Je nachdem von wo aus man anreist, ob aus Richtung Fredonia oder von St. George, Utah, muss man nach Verlassen des Hwy # 389 100 bis 150 km (nur Hinweg) Schotterstraße fahren, um zum Ziel zu gelangen. Die Piste ab Fredonia ist gut und bei Trockenheit problemlos befahrbar, nur die letzten Kilometer nach Einfahrt in den Nationalpark (es gibt eine Rangerstation mit Informationen) führen zum Teil über gewachsenen Stein und erfordern ausreichend Bodenfreiheit.

Die wahre Herausforderung lauert am Campingplatz. Wer die Zufahrt gemeistert hat, wendet sich erleichtert nach rechts, wo es nur drei Stellplätze gibt. Die anderen sechs Plätze plus ein Gruppenplatz befinden sich links – ohne Vierradantrieb eine echte Aufgabe. Der Eintritt in diesen Teil des Nationalparks sowie die Benutzung des Campgrounds (mit Plumpsklo, ohne Komfort und Wasser) sind kostenfrei, der Campingplatz kann nicht reserviert werden (first come – first serve). Am Aussichtspunkt gibt es einen Parkplatz und zwei Picknicktische, die Toilette wurde hier leider – wörtlich zu nehmen – vom Blitz erschlagen. Während der Sommermonate Juli bis September kommt es häufig zu heftigen Gewittern. Man sollte dann unbedingt den Schutz seines Fahrzeugs aufsuchen. Ein Problem der Abgeschiedenheit ist, dass es kein Wasser, Essen, Kraftstoff oder sonstige Hilfe gibt – auch keinen Telefonempfang. Mindestens ein funktionstüchtiges Ersatzrad muss man dabei haben – und es wechseln können.

Beim Herumgehen sollte man stets auf etablierten Trampelpfaden, auf Steinen oder in trockenen Bachbetten, den Washes, laufen, um nicht die sensible kryptobiologische Erde zu zerstören. Das gilt nicht nur für diesen Platz, sondern in überall in den Wüsten des Südwestens. Die komplexe Gemeinschaft aus Flechten, Algen und Bakterien benötigt Jahrzehnte, um zu wachsen. Erst dann wird sie als schwärzliche Kruste sichtbar. Ein einziger Fußtritt kann jahrelanges Wachstum zerstören. Die biologische Erdkruste verfestigt den Oberflächensand und schützt ihn so vor Erosion.

Der Grand Canyon ist natürlich immer ein besonderes Erlebnis. Aber er ist so breit und mächtig (im Durchschnitt 16 km), dass man ihn oft gar nicht als Schlucht wahrnimmt. Da die Wände meist terrassenförmig abfallen, kann man den Colorado River von oben nicht sehen. Man muss sich den Grand Canyon schon mühsam erwandern, um ihn wirklich erfahren zu können. An der Engstelle des Toroweap Point bekommt man einen guten Eindruck dieses Weltwunders. Die Steilwände fallen im 90°-Winkel ab, sodass man problemlos hinuntersehen kann. Lavageröll, das in das Flussbett gespült wurde, verursachte die größten und herausforderndsten Stromschnellen des Colorado und können vom Aussichtspunkt gesehen und gehört werden. Das Ganze gibt es sogar ohne körperliche Verausgabung. Obwohl man auch hier ein paar Wanderungen machen kann. Erwähnenswert ist vielleicht die Lava Falls Route für suizidbereite Kletterer. Die unmarkierte Route führt auf 2,4 km Länge 760 m tief zum Colorado River hinunter. Sie ist extrem steil, führt an gefährlichen Kanten entlang, über loses Lavageröll, das sich mitsamt Wanderer in die Tiefe aufmachen kann und ist im Sommer dank des schwarzen Gesteins, der Öffnung zur Südseite und der Abwesenheit von Wasser der ideale Platz, einen Hitzschlag zu erleiden. Im Sommer ist dieser Platz lebensgefährlich, sagt der Parkprospekt. Wahrscheinlich nicht nur dann. Ich bin vielleicht manchmal etwas verrückt, aber nee, nee, so verrückt nun doch nicht.

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