St. George, Utah – Hilfe für einen einsamen Cowboy

Die kurze, 100 km lange Strecke waren wir von Fredonia aus zum Toroweap Point gefahren. Für die Rückfahrt wählen wir die 150 km lange Route nach St. George. Sie soll nach Aussagen des National Forest Office in Fredonia trocken und schneefrei und nach der Mount Trumbull Wilderness in sehr gutem Zustand sein. In einem hatte die Mitarbeiterin zumindest recht: Die Straße wird nach rund 50 km etwas besser. In der Bergwildnis auf 2000 m Höhe gibt es eine fast geschlossene Schneedecke und wo der Schnee bereits geschmolzen ist, hat sich der Waldweg in eine zentimeterdicke Schlammschicht verwandelt. Der Dreck wiederum möchte auch gerne reisen und heftet sich an Arminius. Dass es sich um „Dannicht-Stein“ handelt, werden wir erst später merken. Der stark lehmhaltige Schlamm wird in der Sonne backen und unlösbar wie Zement am Wagenboden haften.

Erst weiter unten im Tal wird es wärmer und trockener. Am Straßenrand steht ein originalgetreuer Cowboy: breitkrempiger Hut, Lederstiefel, Sporen und eine Aussprache, als ob das Frühstücksbrötchen noch zwischen den Zähnen klemmt. Sein Pferd hat er am nächsten Baum angebunden, sein Truck steht am Rand und blockiert halb die Straße. Er sucht jemanden, der seinem Truck ein paar Meilen folgt, wo er ihn abstellen will und der ihn dann zu seinem Pferd zurückbringt. Er muss seine Rinder ein Stück weiter treiben. Wir lassen uns nicht lange bitten, wer weiß wann der nächste hier vorbei kommt. Er hat ein schlechtes Gewissen, da wir nur zwei Sitze haben und ich so lange zurückbleibe. Er schenkt mir eine Flasche Dr. Pepper aus seiner Eisbox und meint, ich kann mich ja solange mit seinem Pferd Kelli mit „i“ unterhalten. Das meint er ernst. Kelli ist freundlich, lässt sich kurz streicheln, bevor sie sich wieder dem Fressen widmet. Als die Männer zurückkommen, bin ich mit Kelli in eine ernsthafte, wenn auch etwas einseitige Diskussion verwickelt.

Des Cowboys Sporen klappern, als er aus Arminius aussteigt. Nein, das sei in all den Jahren noch nicht vorgekommen. Dass sich jemand in diese abgelegene Gegend, den Arizona Strip (so nennt er es) verirrt. Vermutlich hat er recht, uns in die Gattung der völlig bekloppten Reisenden einzuordnen, aber wo sonst gibt es heute noch das große Abenteuer?

St. George ist so ziemlich die einzige Stadt in Utah außer dem nördlichen Zentrum um Salt Lake City und den Dörfern im Süden. Das Ambiente ist ganz erstaunlich: St. George liegt malerisch zu Füßen der unterschiedlichsten Berge drum herum: rote Sandsteinklippen, grüne abgeflachte Mesas, graue, schneebedeckte Spitzen. Es hat mittlerweile 16° C und Palmen wachsen. Auf einem Hügel thront eine große weiß gekalkte Kirche im mexikanischen Stil. Nichts passt zusammen und trotzdem hat es Charme. Eine Stunde später bin ich stolze Besitzerin eines neuen Paares Wanderschuhe aus handschuhweichem Leder. Die alten wandern in den nächsten Mülleimer, so zerfleddert kann man sie nicht einmal mehr verschenken.

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