Little Finland, Nevada – Die versteinerte Vorhölle

Schwaden von Sand fegen übers Gelände, runde vertrocknete Büsche rollen über die Straße. Sie heißen Tumble Weed, zu Deutsch Schleudergras. Einen besseren Namen hätte ich mir nicht ausdenken können. Die Wüsten der Welt sind nicht nur wegen mangelnden Niederschlags so trocken. Oft ist es der nicht enden wollende Wind, der in den subtropischen Breiten so typisch ist, der das Land austrocknet. Und der heute wütet und klar macht, dass auch in Nevada noch Winter herrscht.

Im Internet kann man sich Wegbeschreibungen nach Little Finland herunterladen. Allerdings hat sich in letzter Zeit einiges geändert, so hat das BLM die Zufahrt in den Wash, das trockene Flussbett, gesperrt, durch das man lange fährt. Es gibt eine andere Zufahrt, nur muss man die erst einmal finden. Auf den Weg zu den Gold Buttes, so heißt das Gebiet, passiert man die 2400 m hohen Virgin Mountains, dann die Whitney Pocket, rote und weiße Sandsteinhügel, die aus der grünen Ebene herauszuwachsen scheinen, und schließlich Devils Throat, den Teufelsrachen, eine etwa 30 m tiefe Senkgrube, die mit einem Zaun gesichert und deren Ursprung unbekannt ist. Das ganze Gebiet wird begrünt von kleinen Sträuchern, Joshua Trees und riesigen Kakteen. Immer wieder passiert man glatte Sandsteinwände mit präkolumbischen Petroglyphen.

Neu ist auch, dass man wieder direkt bis an die Mesa heranfahren kann, auf der die eigentümlichen Sandsteinformationen angesiedelt sind, frei campen kann man hier auch. Für einige Jahre war die direkte Zufahrt vom BLM mittels eines Zauns blockiert worden und man musste ein Stück weiter zu Fuß laufen. Vielleicht hat das alles mit den Gerüchten zu tun, die wild kursieren. Das Gelände soll für Publikumsverkehr komplett gesperrt werden oder auch das Gebiet soll als National Monument geschützt werden. Der alte und neue Parkplatz befindet sich am Fuße eines flachen Berges, an dessen Wand sich einige große kalifornische Fächerpalmen vor dem Wind Schutz suchend anschmiegen. Werden die vertrockneten Blätter nicht abgeschnitten, legen sie sich wie ein dicker Pelz um den Stamm. Über einen Weg an der Seite klettert man auf die obere Ebene der Mesa und ist mitten in Little Finland oder dem Hobgoblins Playground, dem Spielplatz der Kobolde, wie er auch genannt wird, einem stark verwitterten Steinplateau mit einer Vielzahl von Steinrudimenten.

Ich denke eher, ich bin im Fegefeuer gelandet. Ich erkenne Monster, Fratzen, Drachen und schreiende Gesichter. Meine Fantasie läuft Amok. Sogar Pinocchio erkenne ich, aber der soll ja so viel gelogen haben, dass er sicher noch eine Weile in der Vorhölle schmoren muss. Hoffnung dagegen verheißt ein Arch, der die Form eines Herzens hat. Eine unendliche Anzahl von Formen und Skulpturen ist hier von der Natur in roten Sandstein gebannt, man könnte stundelang in dem kleinen Areal herumstromern und seine Vorstellungskraft spielen lassen. Wenn da nicht der grausig kalte Wind wäre, der mir durch die Rippen pfeift. Und etwas macht nachdenklich: Die vielen Bruchstücke und zerstörten Formen, die auf den Boden gebröckelt sind. Das meiste davon ist wohl nicht durch menschliches Zutun kaputt gegangen, sondern durch Regen und Wind. Genau so, wie es entstanden ist. Aber an der einen oder anderen Stelle liegt schon eine abgebrochene Platte, die vielleicht durch einen unachtsamen Fußtritt Schaden genommen hat in der Annahme, der Stein wäre tragfähig. Wieder so ein Gebiet, durch das ich mich hindurchbewege wie durch ein Kristallgeschäft. In dem vollen Bewusstsein, dass Generationen nach mir dieses Vergnügen vielleicht nicht mehr haben können. Sollte also der Zutritt verwehrt werden, damit niemand mehr die Kobolde sehen kann?

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