Santa Cruz, Kalifornien – Das seltsame Verhalten der Elefanten des Meeres

Das Silikon Valley ist ein flacher Landstrich zwischen San José und Palo Alto, übersät von unscheinbaren Flachbauten. Anfang der 70er Jahre wurden hier erstmal Mikroschaltkreise auf Silikonplättchen hergestellt, was die Entwicklung von Computern, wie wir sie heuten kennen, erst möglich machte. Bis heute ist Silikon Valley Standort moderner High-Tech- und Computerindustrie. Gleich dahinter schließt sich die hochrangige private Stanford University an. Dann sind wir wieder auf dem Highway No. 1, nur diesmal nehmen wir die Küstenstraße Richtung Süden. Das Wetter ist nach vier Tagen Sonne wieder unangenehm, typisch für diese Pazifikgegend.

Trotzdem stoppen wir im Año Nuevo State Park, das ein von den See-Elefanten zurückerobertes Habitat schützt. See-Elefanten sind die größten Robben der Welt. Die nördlichen See-Elefanten, die die Westküste Nordamerikas besiedeln, werden bis zu fünf Meter lang und 2,7 Tonnen schwer. Weibchen sind erheblich kleiner mit ca. drei Meter und unter einer Tonne Gewicht. Ihren Namen haben die Meeressäuger von dem Rüssel, den die Männchen mit ihren von Kämpfen vernarbten Brüsten im Laufe ihres Lebens entwickeln und der bei der nördlichen Art besonders lang wird. Bis zu 30 cm können es sein, dank höherer Durchblutung in der Paarungszeit sogar noch länger. Die noch größeren südlichen See-Elefanten leben in Südamerika.

Nach Massenschlachtungen im 19. Jahrhundert zur kommerziellen Nutzung ihres Trans galten sie vor etwa 100 Jahren als ausgerottet Eine kleine Kolonie jedoch hatte überlebt und langsam breitet sich die Art – wenn auch genetisch einseitig – wieder aus. Zweimal im Jahr verbringt jeder See-Elefant mehrere Wochen ohne zu Fressen und zu trinken von seinen Fettreserven lebend an Land – daher sind diese Kolonien eher geruchsneutral. Im Sommer gehen die sonst einzelgängerischen Tiere zum Fellwechsel an den Strand, Weibchen und Männchen, Jung- und Alttiere allerdings zeitlich versetzt. Von Dezember bis März treffen sich alle Individuen zu Geburt und Paarung am Strand. Die restliche Zeit verbringen sie auf See, wo sie fressen und im Wasser schwebend schlafen. Die Männchen schwimmen bis hoch nach Alaska, wo Pazifik und Nordpolarmeer zusammenstoßen, die Weibchen begeben sich weit hinaus in den Pazifik ans Kontinentalschelf. Ihre Diät besteht aus Fischen und Tintenfischen.

Um ein Alphabulle zu werden, also einen Harem zu erobern, muss ein Männchen im Allgemeinen größer sein als seine Konkurrenten, was er selten vor seinem 13. Lebensjahr erreicht. Seine durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 14 Jahre. Weibchen werden um die 20 Jahre alt. Sie gebären je ein Junges, das sie vier Wochen lang säugen mit ihrer mayonnaiseartigen Milch, die 55 % Fett enthält. In der Zeit vervierfacht der Heuler sein Gewicht auf rund 400 kg, während das Muttertier mindestens im gleichen Maße Gewicht abbaut. Am Ende des Monats sind die beiden nur noch durch ihre Fellfarbe – das Jungtier ist zunächst dunkel – zu unterscheiden. Dann robbt die Mutter ohne Vorwarnung ins Wasser, schwimmt davon und überlässt das Junge sich selbst. Manch Babys finden noch eine Ersatzmutter, die ihren eigenen Nachwuchs verloren hat und saugen sich kugelrund bis zur Bewegungsunfähigkeit. Man nennt sie dann Super-Heuler. Nach ihrem Verlassenwerden bleiben die Heuler noch mehrere Wochen liegen und wechseln ihr Fell ins Silbergraue, bis sie plötzlich die Eingebung erhalten, Schwimmen und Fressen wäre eine gute Idee. In kleinen Tidenpools und im Flachwasser bringen sie sich selbst das Schwimmen und Tauchen bei, bis sie der Meinung sind, es zu können und machen sich auf den Weg nach Alaska oder ans Kontinentalschelf. Ihre Überlebensrate indessen beträgt nur 50 %, ganze 30 % kehren im nächsten Jahr wieder. Nachdem sie der Gefahr entronnen sind, von paarungswütigen Bullen zerquetscht zu werden und ihre zweimonatige Fastenkur überstanden haben, warten vor der Küste weiße Haie und Orcas auf ihre Lieblingsnahrung.

Am Eingang des Año Nuevo müssen wir die üblichen 10 $ Eintritt pro Fahrzeug zahlen, der am gleichen Tag für alle kalifornischen State Parks gilt. Um zu den Großrobben zu gelangen, muss man an einer Führung mit einem Ranger teilnehmen, die 7 $ pro Person kostet und etwa zweieinhalb Stunden dauert. Die Wanderung (ca. 5 km) bringt uns bis auf wenige Meter an die Tiere heran. See-Elefanten interessieren sich nicht für Menschen. Allerdings walzen die Bullen völlig ungeniert alles nieder, was ihnen im Weg ist – man sollte besser zur Seite treten. Meist aber liegen die lebenden U-Boote völlig bewegungslos herum. Die Heuler heulen hin und wieder, wie es von ihnen erwartet wird, die Weibchen beschweren sich lauthals, mit aufgerissenem Maul schreiend über was auch immer, und die Bullen geben markerschütternd tiefe, mechanisch klackernde Laute von sich. Aber nur, um einem zu nahe kommenden Konkurrenten Überlegenheit zu signalisieren. Ansonsten bewegen sich die schwanzflossengetriebenen Meeressäuger höchstens, um sich zur Kühlung (!?) mit Sand zu bewerfen.

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