Carmel, Kalifornien – Das kalifornische Kennzeichen-Phänomen

In der Monterey Bay liegen ein paar hübsche historische Strandorte, wo sich viele reiche Menschen niedergelassen haben. Monterey wurde 1770 als Missionsstation gegründet. Das zugehörige Gebäude, die Royal Presidio Chapel, kann auch heute noch besichtigt werden. Sie soll die kleinste Basilika der Welt sein. Ab 1775 war Monterey Hauptstadt des zuerst spanischen, dann mexikanischen und ab 1846 amerikanischen Kaliforniens, bis sie 1854 von Sacramento abgelöst wurde. Hübsch ist auch die Fisherman’s Wharf mit allem was dazugehört: Restaurants, Souvenirshops, Booten und bellenden Seehunden, wenn auch kein Vergleich mit San Francisco.

Auf einem Parkplatz fotografiert eine füllige ältliche Blondine im rosa Pullover und mit unvorteilhaft engen Stretch-Sporthosen Arminius. Sie ignoriert mich, obwohl ich eindeutig zugehörig daneben stehe. Dann lehnt sie sich lasziv an Arminius’ Kotflügel und räkelt sich in sexy Posen, während ihr Mann sie ablichtet. Ich trete ungefragt zur Seite – nicht dass ich noch störe. Manchmal – aber nur manchmal – sind sie schon ein wenig eigen, die Amis.

Über einen Scenic Drive am Meer entlang, wo es immer wieder Aussichtspunkte mit Seehunden und -löwen gibt, gelangt man in den Nebenort Pacific Grove. Die Hauptattraktion hier sind die von Oktober bis März überwinternden Monarchfalter, die eine auffällige orange- oder gelb-schwarze Zeichnung besitzen. An nur wenigen Stellen in der Stadt hängen sie in Trauben an Bäumen und warten, dass die Sonne sie wärmt. Erst ab ca. 13° C können sie fliegen. Meist um die Mittagszeit flattern sie alle los. Das Besondere an der Migration der Amerikanischen Monarchen ist, dass während eines Jahres mehrere Generationen Schmetterlinge geboren werden und sterben – ihre Lebenszeit beträgt nur einige Wochen. Aber nur die im Herbst geschlüpfte Generation fliegt aus Kanada zu ihren Überwinterungsgründen in Kalifornien und Mexiko. Woher sie das wohl wissen?

Der dritte Ort auf der Halbinsel heißt Carmel. Carmel – da war doch irgendwas… Genau, Filmschauspieler Clint Eastwood bekleidete für einige Jahre das Bürgermeisteramt. Auch dieser teure Künstlerort besitzt eine spanische Missionsstation von 1770 – sehr hübsch. Davor aber sehen wir uns den Ort an und folgen dazu dem Scenic Drive. Von der Restriktion 20 Fuß Länge maximal fühlen wir uns nicht angesprochen. Am schönen schneeweißen Sandstrand wollen wir einen Spaziergang machen. Kaum haben wir am Straßenrand eingeparkt, hält die uniformierte kalifornische Legislative hinter uns – diesmal mit einem Auto. Der Officer ist freundlich, findet aber, dass wir nicht sein dürfen, wo wir sind. Nach einem abschätzenden Blick stimmt er sogar mit uns überein, dass die 20-Fuß-Längenbeschränkung nicht auf uns zutrifft. Aber wir seien höher als siebeneinhalb Fuß. Was stimmt, aber wir haben beide kein Schild gesehen. Wir entschuldigen uns und fragen, ob wir problemlos wieder aus der Straße raus fahren können. Können wir, aber – ich traue meinen Ohren kaum – wir könnten in Kalifornien nicht mit diesen Kennzeichen herumfahren. Nicht schon wieder. Gespannt lauschen wir dem belehrenden Vortrag des Polizisten, bis wir an der Reise sind und ihm erklären, dass wir Deutsche und Reisende mit eigenem Fahrzeug sind, die mit selbigem auch wieder aus den USA ausreisen werden und ganz bestimmt kein US-Kennzeichen brauchen. Nun, der Mann hat einen Führerschein und darf sogar ein Polizeiauto fahren, daher kriegt er es ein wenig schneller mit, dass wir vermutlich Recht haben.

Dennoch macht mich der Vorfall nachdenklich. Das kann kein Zufall sein. Sind kalifornische Offizielle dermaßen auf die illegale Einwanderungsproblematik getrimmt, dass sie weiße Elefanten sehen? Sind Touristen mit eigenem Fahrzeug eine in Kalifornien bislang unbekannte Rasse? Inzwischen schließe ich nicht aus, dass es an uns liegt. Man hält uns anscheinend für Amerikaner. Sollte die amerikanische Flagge, die auf unserem Dachgepäckträger gegenüber der deutschen weht, Schuld sein? Sollten wir die typisch amerikanischen Baseballkappen absetzen? Oder ist es unser mittlerweile perfektionierter amerikanischer Knödelakzent? Den nächsten werde ich fragen.

Am Abend erreichen wir den besonders schönen, kaum besiedelten Küstenabschnitt, der sich Big Sur nennt. Im gleichnamigen State Park gönnen wir uns einen Campingplatz für 35 $ inmitten von Küstenmammutbäumen. Wir wollen die Parks dieser Gegend besuchen und können so zumindest die 10 $ Eintrittsgeld für morgen einsparen. Vor allem aber ist wildes Campen auch hier nicht erlaubt und Verstecken auf der engen Küstenstraße unmöglich. Im Allgemeinen tendieren wir dazu, Konflikte mit der Obrigkeit zu vermeiden. In Kalifornien ganz besonders.

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