Seligman, Arizona – Die historische Route 66

Die Route 66 war die erste und ursprünglich einzige Ost-West-Straßenverbindung in den Vereinigten Staaten. Einst verband sie Chicago mit Los Angeles, bevor sie auf tausenden Kilometern von Interstates überbaut und durch diese ersetzt wurde. Die verbliebenen Teilstücke verkommen zusehends bis auf wenige Ausnahmen. Heute besteht die Straße größtenteils aus Nostalgie, Mythos und Einsamkeit. Wir befahren die Strecke von Amboy, Kalifornien, bis Seligman, Arizona. Meist ist sie nur eine lange schnurgerade Piste. Eine Ausnahme bildet der Abschnitt um Oatman, wo man auf attraktiver Route in steilen Serpentinen auf dem 1082 m hohen Sitgraves Pass die Black Mountains überquert. Hier streunen auch die Wild Burros genannten Wildesel herum in der Hoffnung, von Vorbeifahrenden gefüttert zu werden, was immer wieder zu Unfällen führt. Bei den Eseln handelt es sich, genau wie bei den amerikanischen Wildpferden, um verwilderte, ursprünglich domestizierte Tiere, die entweder freigelassen worden oder ausgebrochen sind, denn beide Arten gab es auf dem amerikanischen Kontinent vor dem Eintreffen der Spanier nicht.

Da wir in Kalifornien das Tanken wegen der hohen Spritpreise auf ein Minimum reduziert haben, müssen wir heute Diesel bunkern. Den absoluten USA-Rekord nach unseren bisherigen Beobachtungen hält eine Tankstelle an der Route 66 in Kalifornien mit 5,10 $ pro Gallone Diesel. Stattdessen tanken wir in Kingman, Arizona für 3,90 $. Bemerkenswert aber finde ich den Bettler, der sofort auf uns zukommt und uns seine Cola anbietet. Als wir dankend ablehnen, schenkt er Jörg eine frisch geprägte glänzende Dollarmünze aus seiner Sammelbüchse. Sehen wir schon aus, als hätten wir es nötiger als er? Sind die Menschen in Arizona einfach freundlich?

Der Großteil der auf Tourismus ausgerichteten Infrastruktur ist verfallen oder nicht mehr existent. Es gibt lediglich noch ein paar heruntergekommene Motels, Pubs oder Diners. Im Ort Seligman ist das Ganze mit Charme vergammelt und weitgehend erhalten. Etliche Souvenirshops mit fairen Preisen laden zum Stöbern ein. In den Diners bekommt man ganz traditionell Milchshakes, Hotdogs und Burgers. Wir kehren in Delgado’s Snow Cap ein, wo wir vor ein paar Jahren schon einmal waren. Unsere Visitenkarte von damals, die wir wie viele Besucher an eine der Wände gepinnt hatten, scheint unter mehreren Lagen von Neuzugängen untergegangen zu sein. Wir hinterlassen eine neue. Das Diner ist mit viel Witz und Humor aufgezogen. An der Eingangstür befinden sich zwei Türgriffe, von denen nur eine funktioniert. Auf der Toilette befindet sich eine – hoffentlich nicht angeschlossene – Videokamera. Verlangt man nach Klebeband für die Visitenkarte, kann es einem passieren, dass man stattdessen eine Musikkassette erhält. Das Wort dafür ist im Englischen das gleiche: tape. Auf dem Parkplatz vor dem Diner stehen liebevoll restaurierte und angemalte alte Autos. Der Familienbetrieb in dritter Generation florierte sicher einstmals, als Harleyfahrer und Hippies hier einkehrten. Heute ist es nur noch ein Relikt der Vergangenheit, das immerhin noch in einigen Reiseführern erscheint.

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