Phoenix, Arizona – Amerika, du machst mich Staunen

Phoenix ist Hauptstadt Arizonas und mit 1,6 Mio. Einwohnern in der Stadt bzw. über 4 Mio. mit Umland eine der am schnellsten expandierenden Städte der USA. Grund ist das sonnige trockene Klima in Verbindung mit (noch) reichlich vorhandenen Wasserreserven. Die Wüstenmetropole hat für Besucher nur bedingt Spannendes zu bieten, daher nutzen wir den Tag zum Arbeiten, Planen und Nachdenken über ein Land, das wir bald verlassen werden, das uns Europäern so vertraut und doch wieder fremd ist.

Was mich beeindruckt ist die Flexibilität der Amerikaner und die Chancen, die das Land bietet. Einen Job finden mit 50 oder 60? Kein Problem. Erfahrung in unterschiedlichen Bereichen, Teamgeist, Arbeits- und Lernwille werden weit höher eingestuft als formale Ausbildung und geradlinige Karriere. Der Verlust des Arbeitsplatzes ist kein Weltuntergang, sondern Chance zum Neuanfang. Oft beschließen Amerikaner in der Mitte oder gegen Ende ihres Arbeitslebens an einen Ort ihrer Wahl zu ziehen, der ihnen klimatisch oder landschaftlich besser entspricht und dort einen Neuanfang – privat und beruflich – zu wagen.

Was mich beängstigt ist die Intoleranz, die wir an mancher Stelle erfahren haben, auch wenn sie nie gegen uns gerichtet war. Das können religiöse Ansichten sein, die mit fast militanter Vehemenz verteidigt werden, oder auch politische. Obwohl Barack Obama von der Mehrheit des Volkes zum Präsidenten gewählt wurde, ist er außerordentlich umstritten. Ablehnung und sogar Hass werden in aggressiver und diffamierender Weise nach außen getragen. Anti-Obama-Aufkleber sind noch die harmloseste Variante. Selbst die Medien sind sich nicht zu schade, tonnenweise Schmutz über dem Präsidenten auszukippen. Er wird unter anderem beschuldigt, kein echter Amerikaner per Geburtsrecht zu sein. Das nennt sich Meinungsfreiheit.

Was mich erstaunt ist, mit welcher Konsequenz Gleichstellung praktiziert wird. Beispiel Behinderte: Überall gibt es rollstuhlgerechte Toiletten, Hotelzimmer und sogar entsprechende Wanderpfade in den National und State Parks. Mit der erfreulichen Konsequenz, dass die USA ein ausgesprochen rollstuhlfahrerfreundliches Reiseland sind. Behinderte haben das gleiche Recht auf Bildung wie Nichtbehinderte und können nicht gezwungen werden, eine gesonderte schulische Einrichtung zu besuchen, die zugegebenermaßen nicht immer die gleiche Ausbildungsqualität bietet. Das führt zu obskuren Auswüchsen wie bei einem Mädchen, das dermaßen allergisch gegen Erdnüsse ist, dass selbst Mikrospuren davon lebensbedrohlich sein könnten. Ein Spezialteam entseuchte die Schule. Alle Mitschüler müssen beim Betreten des Gebäudes die Schuhe ausziehen, Hände waschen und den Mund ausspülen. Die USA bieten übrigens auch die Möglichkeit der Heimschulung. An einer anderen Schule in Glendale, Arizona, gibt es drei Gehörlose – in unterschiedlichen Klassen natürlich. Da diese Schüler den Lehrervortrag nicht verstehen, muss die Schule drei teure Gebärdensprachen-Simultanübersetzer einstellen. Tracy ist eine davon.

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