Bahia de San Rafael, Baja California Norte – Panchos Gastfreundschaft

Vor genau einem Jahr sind wir zu unserer Reise aufgebrochen und nach London geflogen. Heute bleiben wir nur kurz auf der MEX 1, aber wenigstens gibt es bis Bahia de los Angeles an der Cortes-See Asphalt. Der Ort in der gleichnamigen Bucht hat schon bessere Tage gesehen, aber immerhin gibt es eine Tankstelle mit Diesel, ein paar Minimärkte und einen Supermarkt, wo sich vor dem umfangreichen Schnapsregal die Mehrheit der ortsansässigen amerikanischen Gringos versammelt hat. Wir kaufen ein paar teure Kleinigkeiten, doch wenigstens Kraftstoff hat einen staatlich festgelegten Einheitspreis, und alle Tankstellen gehören der staatlichen PEMEX-Kette an. Das Highlight in Bahia de los Angeles soll die Meeresschildkrötenforschungsstation sein. Sie wurde 1979 aus einer umgewandelten Schildkrötenfischerei entwickelt. Heute liegt sie verlassen da, die Tanks sind trocken, die Wasserleitungen nicht mehr angeschlossen.

Da wir Näheres nicht herausfinden können, begeben wir uns wieder auf die Spuren der Rallye Baja 1000 und folgen der Rumpelpiste in langsamem Tempo Richtung Bahia San Francisquito für 130 km. Etwa auf halbem Weg berührt der Track das Ufer bei Bahia de San Rafael. Am hübschen Sandstrand leben ein paar Heilbuttfischer, darunter auch Pancho, der seit 26 Jahren hier lebt. Der frühere Haifischer hat meist ein Bier kalt, das er für einen in Anbetracht der einsamen Lage fairen Preis abgibt. Sofern er gerade den Schlüssel für die Tür findet und zwischenzeitlich nicht vergisst, dass er eigentlich ein Bier holen wollte. Pancho als exzentrisch zu bezeichnen ist geringfügig untertrieben. Sein Englisch ist genauso schwer zu verstehen wie sein Spanisch. Was möglicherweise am dauerhaften Konsum von Corona, Pacifico und Tequila liegt, der ihn nicht nur den Großteil seiner unteren Zahnreihe gekostet hat, sondern möglicherweise ein paar völlig unbedeutende Areale von Hirnzellen.

Das urige Original wühlt noch einmal in seiner solarbetriebenen Eisbox und bringt etwas zu Essen zutage, von dessen Verzehr alle amerikanischen Reiseführer einhellig warnen: Ceviche. Der Grund liegt auf der Hand: Ceviche besteht gewöhnlich aus rohem Fisch oder Jacobsmuscheln. Die mariniert man in Limonensaft mit Chilis, Zwiebeln, Knoblauch, Paprikaschoten, Tomaten, Avocados, Korianderkraut, Salz, Pfeffer und braunem Zucker. Panchos Version ist etwas improvisiert, aber die Grundzutaten Jakobsmuscheln, Zwiebeln, Limone und Chilis sind da. Pancho bringt eine Schüssel und einen Löffel. Er versichert, dass letzterer gewaschen ist, aber vielleicht sollten wir diesem unwichtigen Detail keine besondere Bedeutung beimessen. Wir essen alle aus derselben Schüssel mit demselben Löffel. Ich hätte es aber als hochgradig unhöflich empfunden abzulehnen. Bis zum Abend stellen sich keine Anzeichen einer Lebensmittelvergiftung ein.

Pancho bietet uns an, bei ihm am Strand kostenlos zu übernachten. Auf der Baja ist es durchaus üblich, dass Einheimische ein kleines Entgelt fürs Campen am Strand verlangen, auch wenn es nicht deren Privatbesitz ist. Als Gegenleistung halten sie den Strand sauber. Wir nehmen das Angebot an, denn der Sand und das klare, kühle Wasser laden uns zum Schwimmen ein.

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