Todos Santos, Baja California Sur – Wiederauferstandene Stadt aller Heiligen

Der Morgen bringt die Flut zurück. Der Wind hat zugelegt und lässt die Wellen auf immense Höhen anschwellen. Meterhohe glasig-grüne Wände aus Wasserstoff und Sauerstoff rasen auf uns zu, bis sie sich überschlagen und sich in einem Wirbel aus weißem Schaum auflösen. Mit mindestens gleicher Kraft tauchen sie unter der nächsten Woge hindurch und strömen ins Meer zurück, alles mit sich reißend, was nicht fest verankert ist. Die Brandung, die an die Felsen am Rande des Strandes donnert, löst sich in einer 30 m hohen Explosion auf, sodass selbst Arminius daneben wie ein Zwerg wirkt. Pelikane beeindrucken mich mit ihren Flugkünsten. Sie surfen die hereinrollenden Wellen ab, lassen sich ganz dicht an der Wasserwand vom Luftpolster voran schieben, um rechtzeitig, genau bevor die Welle sich überschlägt, aus dem tödlichen Tunnel herauszusegeln.

Der Verkehr im Flussbett, das man hier Arroyo nennt, wird immer dichter. Gruppen amerikanischer Kreuzfahrttouristen aus Los Cabos, die an geführten Touren mit Quads, Dünenbuggies oder Pferden teilnehmen, bevölkern den Strand. Wir verziehen uns auf die MEX 19 nord, die zur perfekten vierspurigen Autobahn ausgebaut wird oder bereits ist dank staatlicher Finanzspritze zur Tourismusförderung, und die statt MEX 1 alternativer Zubringer von La Paz nach Los Cabos ist. Mitten in dieser Einflugschneise liegt Todos Santos, was Allerheiligen bedeutet. Der Ort hat eine hübsche Plaza, die sich mit ihrer andalusischen Architektur mit Rundbogenfenstern und -türen und mit Holzgeländern umrahmten Hochterrassen von anderen unterscheidet. Die ursprüngliche Mission wurde wie viele andere zerstört, doch haben eifrige Mönche einen Ersatz geschaffen. Zahlreiche Cafés, Restaurants und Kunstgalerien wetteifern dezent um die Dollars in den Geldbörsen der Besucher. Die Straße zur Süßwasserlagune mit zahlreichen Wasservögeln sollten sich nur Fahrer von kleinen Fahrzeugen vornehmen – nichts für Wohnmobile.

Einige wenige Hotels oder Ranchs bieten Zimmer am Strand an, der sich auch hier zum Baden nicht eignet. Die Stadt selbst wurde im 18. Jahrhundert zwei Kilometer landeinwärts an einer Quelle errichtet, die zwei Jahrhunderte später plötzlich versiegte, die Landwirtschaft zum Erliegen brachte und Todos Santos praktisch zur Geisterstadt verkommen ließ. 1981 sprudelte die Quelle plötzlich wieder und schenkte der Stadt ein zweites Leben. Am Abend sind wir zurück in La Paz und am El Tecolote Strand, wo das Meer wieder friedlich ist.

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