Coyoacán, México – Das Land des Lärms

Mexiko ist laut. Das ist eine unserer Grunderkenntnisse über dieses schöne Land. Überall wird möglichst viel Lärm gemacht, um – ja, um was? Um aufzufallen, um sich aus der Masse herauszuheben? Musik dröhnt, Menschen schreien, Autos hupen, Lautsprecher kreischen. Vor vielen Läden werden Musikboxen aufgestellt, die Passanten bis zur Taubheit berieseln und sie in das Geschäft locken sollen, weil es dort vielleicht leiser ist? Junge Menschen sitzen mit heruntergekurbeltem Fenster und lässig heraushängendem Ellbogen in ihren Autos, das Radio auf volle Lautstärke gedreht und hören – völlig uncoole – Mariachi-Musik, die auch ihren Urgroßeltern gefallen würde. (Ich gebe zu, dass ich mit meinem eingeschränkten westlichen Musikverständnis wohl nie ein Fan des unrhythmischen und unmelodiösen Mariachi werde, wo Sänger einfach nur laut quäken, selbst wenn es sich um ein Liebeslied handelt.)

Egal ob am Strand oder auf dem Campingplatz: Autotüren werden aufgerissen, Musik rücksichtslos aufgedreht in dem Versuch, den Nachbarn zu übertönen, und das bis in die frühen Morgenstunden. Souvenirhändler in Teotihuacán verkaufen eine Art Pfeifen, die schreckliche laute Geräusche erzeugen, die wohl einen Jaguar oder andere Tiere nachahmen sollen, und die überall auf dem Gelände zu hören sind. Irgendwo in der Stadt wurde heute Nacht eine auch auf dem Campingplatz hörbare Open-Air-Technoparty gefeiert, was mir zwar den Glauben an die junge mexikanische Generation wiedergibt, mir dann aber doch wieder Sorgen über möglichen Drogenmissbrauch bereitet, da die Feier auch um 10 Uhr des nächsten Vormittags nicht beendet ist. Selbst die Kirche macht mit: Zu ehren des Namenspatrons der Stadt reisten Pilger aus dem kompletten Land an, um die ganze Nacht in der Kathedrale zu beten. Das wird untermalt einem stündlichen (!) Glockenläuten, unterbrochen von Böllerschüssen, die die Nacht zerfetzen wie Kanonenkugeln. Die Kathedrale steht neben dem Campingplatz.

Das ist eben Brauch und Mentalität der Leute. Trotzdem sind wir nicht übermäßig traurig weiterzuziehen. Unser nächstes Ziel liegt in Mexico City und heißt Coyoacán, wo wir erwartet werden. Wir fahren tatsächlich mitten durch die Stadt, allerdings auf der „normalen“ Straße und vorsichtshalber nicht auf der Periférico. Der Verkehr ist dicht, aber nicht undiszipliniert, an jeder Kreuzung steht ein Polizeifahrzeug. Niemand hält uns an oder interessiert sich auch nur für uns. Mexico City mag zwar die größte Stadt der Welt sein, aber problemlos fahrbar – kein Vergleich zum anarchischen, chaotischen, nicht gekennzeichneten und völlig überlasteten Kairo. Vor dem Haus unserer Freunde parkend patrouillieren Polizeifahrzeuge und Fußstreifen, doch immer wieder stoßen wir nur auf Neugier und Interesse, das der Portier der Wohnanlage mit seinem neuerworbenen Wissen bestens zu stillen weiß.

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