Huatulco, Oaxaca – Vom Nebelwald in den Dschungel

Die Gegend ist irgendwie eigenartig. In den meisten Dörfern hier leben die Indigenas in äußerst primitiven Hütten. Ein nicht zu unterschätzender Prozentsatz der männlichen Bevölkerung stolpert am Straßenrand entlang, liegt schlafend im Graben oder sitzt mit leerem Blick herum. Ich habe das Gefühl, dass man mit den hiesigen Männern nicht viel anfangen kann und dass die Hauptlast der Arbeit auf den Frauen liegt. Ausgelöst wird dieser deliriumartige Zustand von Alkohol oder anderen Rauschmitteln. Es ist wochentags kurz nach dem Frühstück. Einige noch nicht ganz so Betrunkene prosten uns mit ihren Bierflaschen zu und winken uns heran, wir sollen mit ihnen trinken. Gerne doch, vielleicht ein andermal. Ein „Restaurant“ am Wege wirbt mit der Abbildung seiner Gründerin. Die äußerst betagte Dame raucht mit typischer Fingerhaltung etwas, das ganz gewiss nicht wie eine gewöhnliche Zigarette aussieht.

Die ungewöhnlich starke Militärpräsenz bestätigt unser Gefühl, dass hier Geld nicht immer mit legalen Mitteln verdient wird. Zwei Mal geraten wir an einen Kontrollposten, der ein derartiges Fahrzeug nicht ungeprüft durchfahren lassen kann – aus Pflichtgefühl und aus Neugier. Die Soldaten fragen mit ausgesuchter Höflichkeit, ob wir ihnen die Überprüfung des Fahrzeugs erlauben würden (tun wir) und bedanken sich anschließend ganz brav. Bereits gestern Abend suchten wir zum Schlafen den Schutz einer PEMEX-Tankstelle auf. Wir fühlen uns nicht im Mindesten bedroht, aber man muss sein Glück nicht herausfordern.

Von Oaxaca aus gibt es keine direkte Verbindung ins östlich gelegene Chiapas. Man fährt entweder über die Golfküste im Norden oder den Pazifik. Wir entscheiden uns für die kürzere südliche Route und kämpfen uns durch eines der vielen Gebirge Mexikos, die Sierra Madre del Sur. Diese Straße hat noch mehr Kurven als alles bisher Dagewesene. Sie trägt uns in die neblige, verregnete, mit Erdrutschen übersäte Kühle auf 2.800 m. Bei der Abfahrt weichen Agaven und Nadelbäume bald üppiger Tropenvegetation mit riesigen Bananenstauden, Mangobäumen, Palmen, Bambusrohr, Farnen und Bromelien. Unser erster bunter Papagei der Reise fliegt über die Straße hinweg. Die sonnige Schwüle der Tropen greift nach uns.

Am Nachmittag erreichen wir Huatulco. Wo vor einigen Jahren lediglich ein Fischerdorf stand und Gestrüpp sich am Strand breitmachte, soll nach dem Willen der Regierung ein Megatourismusprojekt entstehen, das selbst Cancun in den Schatten stellt. Zumindest wurde der Dschungel drum herum zum Nationalpark erklärt und hässliche Hochhäuser sind unerwünscht. Wie dem auch sei, allzu viele Hotels stehen noch nicht und ob es jemals soweit kommt, ist fraglich, da die Zubringerinfrastruktur fehlt. Der einzige Campingplatz der Gegend wird gleichzeitig als Strandparkplatz genutzt, gecampt scheint hier nicht zu werden, denn Toiletten und Duschen sind abgeschlossen. Beim Parken ist unbedingt darauf zu achten, nicht unter einer Kokospalme mit Früchten zu stehen, die beim Herabfallen große Schäden am Dach oder Solarpaneel anrichten können. Dafür kostet es derzeit nichts.

Zum Strand geht es durch ein Stück Dschungel, der in der Regenzeit überschwemmt ist. Einige Trittsteine und halbverrottete Holzpaletten stellen einen abenteuerlichen Weg durch den Sumpf dar. Den Strand teilt man sich mit ein paar Hotels, aber viel ist nicht los. Trotz der geschützten Lage der Bucht laufen beeindruckende Pazifikwellen ein. Richtig Abkühlung von der Tropenhitze gibt es nicht: Das Meer hat gute 30° und das Baden gleicht einer Sporteinlage. Ein paar kleinere Wellen abwarten, ins Wasser sausen, eintauchen und sofort wieder hinausrennen, bevor die nächste größere Welle sich überschlägt und einen mit ihrer mächtigen Unterströmung ins Meer hinauszieht. Die Nacht bleibt heiß und unruhig mit ihren ungewohnten Dschungelgeräuschen. Der Stellplatz ist prima und würde 50 MXN pP kosten, wenn er in Betrieb wäre: Club de Playa Tangolunda, Bahías de Huatulco, N 15°46’23,0’’ W 96°05’59,1’’.

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