Ciudád de Guatemala, Guatemala – Die Deutschen in Guatemala: eine unbekannte Geschichte

Während man normalerweise dazu tendieren würde, die engen überfüllten stickigen und chaotischen Hauptstädte Mittelamerikas zu meiden, fahren wir innerhalb von zwei Tagen gleich zwei Mal durch Guatemala Stadt: gestern von West nach Süd, heute von Süd über das Zentrum nach Südost. Und das alles nur, um Beatriz und Bill zu besuchen. Das sind die beiden, die wir an unserem zweiten Tag in Guatemala kennenlernten bei unserem Einkauf in Huehuetenango. Bill heißt mit Nachnamen Kähler, und das ist gar nicht mal so ungewöhnlich in diesem Land.

Die Geschichte der Deutschen in Guatemala beginnt 1828 mit der Einwanderung von Carl Rudolf Friedrich Klee. Innerhalb kürzester Zeit wurde er zu einer der wichtigsten und erfolgreichsten Persönlichkeiten des Landes. Bald besaß er das größte Exportunternehmen und wurde zum Konsul einiger Hansestädte ernannt. Bills Urgroßvater kam Mitte des 19. Jahrhunderts an, die Haupteinwanderungswelle startete ab 1873. Der damalige Präsident öffnete ausländischem Kapital die Türen und förderte Kaffeeanbau. Mit Vergünstigungen lockte er Immigranten nach Guatemala, mehrheitlich Deutsche. Die Kehrseite der Medaille ist, dass er kommunalen Landbesitz der indianischen Bevölkerung ohne Entschädigung enteignete und die Ländereien an ausländische Investoren verkaufte. Zusätzlich verpflichtete er Indígenas per Gesetz zur Zwangsarbeit für den personalintensiven Kaffeeanbau, der bald darauf zu blühen begann, zum wichtigsten Exportgut wurde und fast ausschließlich in den Händen Deutscher lag.

Der Zweite Weltkrieg wurde auch hier für die Deutschen ein bitteres Kapitel. Auf Druck der USA erklärte Guatemala Deutschland den Krieg und trotz Sympathien der damaligen Regierung für Hitler, Mussolini und Franco musste der Präsident deutsche Landbesitzer enteignen. Galt es doch in erster Linie, die US-eigene Bananeinteressen zu wahren. Nutznießer waren demzufolge hauptsächlich US-Firmen. Die Mehrheit der Deutschen wurde des Landes verwiesen und musste fliehen, viele davon nach Mexiko. Die meisten von ihnen erhielten auch nach dem Krieg ihr Land nicht zurück, so wie Bills Familie, nur einige wenige Glückliche schafften es. Von diesem Schlag erholte sich die deutsche Gemeinde nicht, obwohl heute wieder geschätzte 3000 Deutsche und 2000 Deutschstämmige in Guatemala leben.

Und doch ist der deutsche Einfluss ungebrochen. Vor allem in den Gegenden Xela / Quetzaltenango und Cobán, aber auch andernorts finden sich erstaunlich viele Menschen mit hellen Augen und nicht immer dunklen Haaren. Die Guatemalteken selbst halten die Deutschen für die größte und wichtigste Einwanderergruppe und Deutsch für die zweitwichtigste Weltsprache nach Englisch. Kein Wunder, schließlich ist Deutschland größter Handelspartner für Exportprodukte in Übersee. Bill besitzt neben seinem guatemaltekischen immer noch einen deutschen Pass, der ihm das Reisen derart erleichtert, dass er mit seinem BMW Motorrad bereits bis nach Feuerland und über Brasilien und Venezuela zurück düste. Außerdem sammelt er alte deutsche Motorräder. Auch nach so vielen Generationen spricht er noch etwas Deutsch, seine Tochter sogar richtig gut, und die Enkelkinder besuchen die Deutsche Schule. An eine Rückkehr nach Europa denkt jedoch niemand.

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