Estelí, Nicaragua – Amerika, nicht Afrika

Nicaragua – ein Land, das so klingt als müsse man es in Afrika und nicht in Amerika suchen. Dabei markiert es die Mitte des Isthmus und bietet ein paar schöne und weniger positive Superlative: Es ist das flächenmäßig größte Land Mittelamerikas, obwohl nur gut ein gutes Drittel genutzt werden kann, der Rest ist unzugänglicher Regenwald – von Abholzung bedroht wie überall. Nicaragua gilt als das ärmste Land Zentralamerikas, ja sogar als zweitärmstes Land – nach Haiti – ganz Lateinamerikas. Gleichzeitig soll es das sicherste Reiseland der Kontinentalbrücke sein.

Doch der Tag beginnt mit Schwierigkeiten, die Einreise verzögert sich. Zunächst müssen wir feststellen, dass unsere elektronische Karte für Nicaragua nicht funktioniert. Doch unsere bewährte Kombination aus klassischer Kartennavigation, Schilder lesen, Intuition, Einheimische fragen und Autonavigationssystem ist uns so lieb geworden, dass wir auf letzteres ungern verzichten. GPS-Karten sind im Internet bei www.gpstravelmaps.com für sämtliche Garmin-Geräte herunterzuladen inkl. Installationsanleitung (z.B. Nicaragua für nicht ganz günstige US$ 49,95). Bei der Navigation funktionieren weder Adresseingabe noch Ortsuche, aber man kann in die Karte zoomen und einen Ort auf dem Touchscreen per Finger auswählen.

Als nächstes verweigert die Tankstellenkasse in El Paraiso sämtliche meiner Kreditkarten. (In Mexiko ist der Diesel am günstigsten, dann wird er nach Süden hin über Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua stets, wenn auch geringfügig teurer. In Honduras sind wir bei ca. 0,80 € pro Liter Diesel). Mein Bargeld reicht so kurz vor der Grenze nicht mehr aus. Dann kommt die Kassiererin auf die Idee eines Betraglimits bei Kartenzahlungen und rechnet die Summe auf zwei Mal ab. Unmittelbar vor dem Grenzübergang Los Manos (ca. 500 m) befindet sich im Übrigen eine steuerbegünstigte Tankstelle, die Kraftstoff zu günstigeren Preisen anbietet.

So weit kommen wir aber nicht mal. Die Zufahrtsstraße zur Grenze ist rechts und links mit wartenden Lkw zugeparkt, der einzige Fahrstreifen in der Mitte wird von einem liegengebliebenen Bus blockiert, der anscheinend nicht abgeschleppt werden kann. Mehr als eine Stunde vergeht, bis die parkenden Fahrzeuge auf einer Seite so weit vor oder zurück rangiert sind, dass sich eine Lücke zum Vorbeifahren am Hindernis ergibt. Von da an geht es zügig. An der Aduana gibt es einen Stempel in den Pass, der die Ausfuhr des Fahrzeugs bestätigt. Ich muss die Zöllnerin lediglich bitten, mir den Rest der an der letzten Grenze zusammen getackerten Papiere zurückzugeben und nur das honduranische Formular einzubehalten. Das ordentliche Formular aus El Salvador leistet stets gute Dienste als Vorlage, daher möchte ich es behalten. An der Migración erhalten wir einen Ausreisestempel, Kosten entstehen nicht.

Ein penetranter junger Grenzhelfer möchte 20 US$ für seine Dienste bei der Einreise, aber irgendwann kapiert auch er das simple, nur aus den zwei Buchstaben N und O bestehende Wort no. Irgendwie leuchtet mir der Sinn von Grenzhelfern nicht ein (außer, dass sie damit natürlich zum Familieneinkommen beitragen, was positiv zu bewerten ist). Wenn man kein Spanisch spricht, kann man sich auch mit ihnen nicht verständigen. Spricht man Spanisch, schafft man die Formalitäten auch alleine. Ob es wirklich eine Zeitersparnis gibt, ist dahingestellt. Kurz vor dem Verlassen honduranischen Territoriums gibt es noch eine Tierkontrolle, doch wir führen weder Haus- noch Schlachttiere mit uns. Die Geldwechsler bieten auch hier einen fairen Umtauschkurs Lempira zu Córdoba an (100 nicaraguanische Córdoba / NIO entsprechen derzeit 2,90 €).

Die Einreise beginnt mit einer Fahrzeugdesinfektion (68 NIO). Nicaragua verlangt für die zunächst gewährten 30 Tage Aufenthaltsdauer den Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung (12 US$ oder äquivalent). Die herumwuselnden Versicherungsvertreter sind offiziell, am besten erledigt man das gleich hier. Die Dame an der Aduana findet die salvadorianische Vorlage hilfreich und lässt sich auch so gerne helfen. Es wird nur das Kennzeichen überprüft, nicht einmal die Fahrgestellnummer, und wie immer von außen (!) ein Blick in die geöffnete Kabinentür geworfen, um die Angabe „Wohnmobil“ zu bestätigen. Auch diesmal kommen wir völlig ohne Fahrzeugdurchsuchung davon. Dieser komplette Vorgang ist kostenlos, nicht jedoch die Einreisekarte für den Reisepass an der Migración. Dafür sind mittlerweile 12 US$ pro Person (oder äquivalente NIO) fällig. Als letztes überprüft die Grenzpolizei die Richtigkeit und Vollständigkeit der Papiere, will je eine Kopie von Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief (wir führen eine hübsch gemachte farbige Kopie auf dokumentenähnlichem Papier mit uns), vergisst dann aber, diese einzusammeln. Auch hier gibt es bislang nichts zu mokieren über Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft mittelamerikanischer Grenzen, und zügig ging es auch noch.

Nach 40 km erreichen wir die Panamericana, einzige Durchgangsstraße in Nicaragua. Erste größere Stadt ist Estelí. Im Büro der UCA Miraflor (ggf. durchfragen) erkundigen wir uns nach Übernachtungsmöglichkeiten im Naturreservat Miraflor (kein Eintritt), wo es neben Wander- und Reitgelegenheiten (biologische) Landwirtschaft gibt. Man bestätigt uns, dass wir die Schotterstraße befahren können. Auf dem knapp 30 km langen Weg wird schnell klar, warum in der Regenzeit ein Allradfahrzeug gefordert wird. Reißende Bäche (es regnet gerade) von bis zu einem halben Meter Tiefe müssen durchquert werden. Doch die Lkw und umfunktionierten Schulbusse, die die Piste regelmäßig frequentieren, lassen das Abenteuer schon wieder lächerlich erscheinen. Die haben keinen Allradantrieb.

Die Finca Lindos Ojos ist nach Studium unseres Reiseführers sowieso unsere bevorzugte Übernachtungsoption gewesen. Sie wird uns auch bei UCA empfohlen, da die Platz zum Parken hätten. Mit der erhaltenen Karte und Erklärung finden wir den Weg leicht, nur sind die deutschen Besitzer heute nicht da. Das nicaraguanische Arbeiterpärchen, das auf dem Grundstück lebt, lässt uns hier problemlos campen: N 13°14’30.2’’ W 86°15’21.7’’, www.finca-lindos-ojos.com, 5 US$ pro Nacht.

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