Ticuantepe, Nicaragua – Papageien und Star-Wars-Frösche

Das Lächeln verblasst. Schon in Honduras fanden wir die Menschen weniger fröhlich. In Nicaragua schauen sie uns einfach nur an, als wären wir das achte Weltwunder. Was sie keineswegs daran hindert, Fotos von Arminius zu machen oder auf den Truck zu klettern – ohne zu fragen, versteht sich. Gehen wir mit einem Lächeln in Vorlage, wird es zwar erwidert, aber es ist nur ein kurzes Aufleuchten. Dabei sind die Menschen nicht unfreundlich, eher gehört es zum guten Ton, etwas missmutig zu kucken. Grinst man weiter, schauen sie einen an wie: Was ist mit der los? Hat die was genommen? Ausnahmen gibt es natürlich immer.

Bewundern muss ich dagegen, wie viele Menschen laufen, und in welcher Geschwindigkeit. Gezwungenermaßen, sicherlich, mangels Fahrzeug. Dennoch: Leicht werden auf dem Weg zur Schule, zur Arbeit oder zur Kirche mehrere Kilometer zurückgelegt. In billigen Plastiklatschen, über Stock und Stein, steile Berge hoch und runter. Dabei zeigt man sich äußerst praxisorientiert und transportiert ganz nebenbei noch einen Klafter Brennholz oder einen Sack Kaffeebohnen auf dem Kopf oder der Schulter, Erwachsene wie Kinder. In der freien Hand wird dabei die 1,5-Liter-Colaflasche getragen, ohne die keiner aus dem Haus geht. Das Baby hat Hunger? Kein Problem. Das Top wird ein wenig heruntergezerrt, das Kind angelegt, Stillen kann man auch unterwegs. Kein Grund, im Lauf innezuhalten.

Auf der anderen Seite gibt es dann die (Männer), die sonntagmorgens um 10 Uhr im Graben liegen und den Schlaf des Gerechten – oder vielmehr des Betrunkenen – schlafen. Wer weiß, ob sie noch von der Samstagabendsause übrigblieben oder heute Morgen frühzeitig anfingen? Bei der Insektendichte auf diesem Breitengrad halte ich den Straßengraben für einen eher ungemütlichen Ort. Das Alkoholproblem tauchte schon ab Mexiko verstärkt auf, insbesondere in Guatemala, scheint sich aber weiter nach Süden zu erstrecken. Und nicht nur sonntags.

Betrunkene Autofahrer gibt es tagsüber zum Glück wenige, und so kommen wir trotz sturzbachartigen Regens sicher an den Managua-See, zweitgrößter See Zentralamerikas, aber von den Abwässern der Hauptstadt verpestet. Das schöne an Managua ist, dass man nicht hinmuss, wenn man nicht möchte. Keines der in schlechter Qualität gebauten Kolonialhäuser konnte die zahlreichen Erdbeben überstehen, daher setzen sich Managuas Hauptattraktionen aus dem See und zahlreichen Museen zusammen. Wir biegen zwischen Managua und Masaya in Richtung Süden nach Ticuantepe ab, wo das El Chocoyero – El Brujo Naturreservat im Regenwald liegt. Die sieben Kilometer lange ungeteerte Zufahrtstraße besteht aus einem eigentümlichen schwarzen Dreck, der auch bei Regen nicht aufweicht und daher kaum schmierig und rutschig wird.

Leider ist das Erdreich nicht immun gegen Auswaschungen durch Wasserläufe. Quer stören sie weniger, aber längs mag ich sie nicht, wenn der Unimog mit einem Rag im eingefressenen Rinnsal in absurder Schräglage dahin kriecht. Und man weiß nie: Bleibt es so oder wird es noch schlechter? Umkehren geht nicht, die Straße ist einspurig. Dann gibt es da noch die Bäume, die bei Regen besonders tief hängen. Unempfindlich geworden, fahren wir meist einfach unten durch. Nur ein gut oberarmdicker Ast muss dann doch weichen, mit ihm ein Drittel der Baumkrone. Unsere eigene Machete mit finnischer Hochleistungsstahlklinge liegt seit neuestem für derartige Aktionen parat. Die eignet sich für weiches, wassergetränktes Holz sogar besser als eine Axt. Wir erreichen auf dem Stück einen Geschwindigkeitsdurchschnitt von 5,6 km/h.

Am Parkzugang bezahlen wir je 50 Córdoba pro Person für Eintritt und den Guide, ohne den man uns nicht rein lässt. Außer dass eine Familie mehr zu essen hat, halte ich diese Bestimmung für sinnlos, denn ohne den rasenden Führer hätten wir vielleicht mehr Tiere gesehen, den Weg findet man auch alleine. Die Hauptattraktion sind sowieso die Chocoyas, eine kleine Papageienart, die wir Elfenbeinsittiche nennen, die in Löchern in einer Lehmwand am Wasserfall El Chocoyero hausen. Es ist Nistsaison, daher sind alle zu Hause und es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Zum Fotografieren regnet es leider zu stark.

Im Park gibt es (kostenpflichtige) Zeltplätze, jedoch dürfen wir auf dem Parkplatz vor der Haustür frei campen, bei tiefster Dunkelheit und beeindruckender Geräuschkulisse. Grillen und Zikaden veranstalten ein tropisches Konzert, dem ich wenig Romantisches abgewinnen kann. Das elektrische Sirren klingt, als ob man sich in dem Umspannwerk einer Kleinstadt befände. Was ist daran romantisch? Brüllaffen verteidigen ihr Revier, ihre schlechte Laune und was auch immer mit dem lautesten Geräusch der gesamten Tierwelt. Und dann sind da noch die Star-Wars-Frösche, so haben wir sie getauft. Erstaunlicherweise klingen sie, als würden sie sich gegenseitig mit futuristischen Laserkanonen beschießen. Doing, doing, doing-doing-doing, doing-doing. Nach einer Weile machen sie Pause, zum Nachladen wahrscheinlich. Doing, doing-doing-doing-doing-doing, doing-doing…
Riserva Natural El Chocoyero – El Brujo, N 11°58’46.0’’ W 86°15’26.7’’

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