Volcán Masaya, Nicaragua – Wie fotografiere ich Qualm oder: Vulkane stinken

In den Morgenstunden gesellt sich zu den brüllenden Affen und den vielen anderen unbekannten Geräuschen ein Vogel vom Typ „elektronischer Wecker“. „Tililit, tililit, tililit.“ Drei Mal, genau wie beim Wecker; nach einer genau bemessenen Pause: „Tililit, tililit, tililit.“ Kann nicht mal einer auf den Aus-Knopf drücken? Da mir keiner den Gefallen tut, muss auch ich einsehen, dass die Nacht vorüber ist. Geräuscherfinder müssen im Urwald studiert haben, diese Ähnlichkeiten können kein Zufall sein. Wir wollten sowieso aufstehen, um die Papageien nochmals bei Sonnenschein zu besuchen. Diesmal dürfen wir ohne Guide und ohne nochmals Eintritt zu bezahlen rein. Und siehe da, wenn man nicht wie ein Irrer durch den Wald hetzt, verscheucht man auch nicht alle Tiere und bekommt etwas zu sehen. Die Annäherung an den Chocoya-Brutplatz kann man an der Geräuschkulisse erkennen, Papageien sind ja nicht gerade für ihren lieblichen Gesang bekannt. Wie so ziemlich alle Papageien sind auch die grünen Elfenbeinsittiche monogam. Doch nicht nur das: Sie verbringen das ganze Leben zusammen, fliegen zusammen los, kehren gemeinsam zurück. Nicht ohne das jeweils lautstark anzukündigen.

Keine 30 km entfernt liegt der Nationalpark Volcán Masaya mit zwei Vulkanen und insgesamt fünf Kratern. Einer davon, der Santiago, ist der einzige permanent aktive Krater Nicaraguas. Aus seinem 450 m im Durchmesser großen Schlund entweichen permanent giftige Schwefel- und Salzsäuregase, hin und wieder spuckt er auch größere Brocken aus, weshalb das Auto am Parkplatz direkt am Kraterrand in Fluchtrichtung geparkt werden muss. Manchmal kann man Lava oder glühende Steine im Inneren sehen, vor allem während der geführten Nachtwanderungen, doch momentan ist die Oberfläche – vielleicht wegen der Regenzeit – stärker ausgekühlt und dunkel. Alleine die Rauch- und Gasproduktion ist schon enorm. Man soll sich aus gesundheitlichen Gründen maximal 20 Minuten oben aufhalten, lautet die Parkvorschrift, aber heute bleibt keiner freiwillig länger hier. Der Wind steht ungünstig und bläst uns den Qualm ins Gesicht. Die Augen beginnen zu tränen. Er dringt in die Lungen und löst Hustenreiz aus. Man kann den Rauch schmecken, ein seltsames Gemisch aus Schwefel, Batteriesäure und dem parfümierten Beigeschmack essigsaurer Tonerde, dann rinnt er die Kehle hinunter in den Magen. Der Kopf beginnt zu schmerzen. Alle Hirnzellen schreien im Chor „weg hier“.

Da die Sicht entsprechend vernebelt ist, halten wir es kurz, laufen nur an der Mauer am Rand des Santiago-Kraters entlang und die Stufen zum Aussichtspunkt am großen Kreuz über die lavasteingesprenkelte Umgebung und zum Masaya See. Die Wanderung zu ein paar weiteren Aussichtspunkten – die einzige, die man alleine unternehmen darf – verschieben wir auf morgen in der Hoffnung auf günstigeren Wind. In den Wänden des gasenden Kraters hausen und brüten Elfenbeinsittiche in äußerst giftiger Umgebung. Im Laufe der Zeit gewöhnten sich die Papageien an die Gase, die gleichzeitig einen äußerst effektiven Schutz gegen natürliche Feinde bieten.

Der Krater blickt auf eine lange Tradition künstlich herbeigeführter Tode zurück. Die hier lebenden Chorotega-Indianer sollen Jungfrauen in die Lava geworfen haben, um sie der Göttin des Feuers zu opfern und diese zu besänftigen. Die Spanier nutzten das Magmaloch, um Ungläubige und Verbrecher loszuwerden. Besonders perfide trieben es die Somoza-Diktatoren. Regimegegner wurden mit Hubschraubern über den Santiago geflogen und abgeworfen.

Auf den beiden Parkplätzen neben dem Besucherzentrum ein paar Kilometer unterhalb des Kraters mit mäßig interessantem Museum darf man campen. Pro Person 100 NIO Eintritt plus 50 NIO fürs Übernachten. Parque Nacionál Volcán Masaya, N 12°00’11.3’’ W 86°08’54.6’’.

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