Nuevo Arenal, Costa Rica – Die Schweiz Lateinamerikas

Eine deutsche Bäckerei mit Mittagstisch zieht uns magisch an. Wir hatten sie schon gestern Abend im Vorbeifahren and der Durchgangsstraße entdeckt – unübersehbar bereits kilometerweit vorher mit vielen Schildern angekündigt. Im Angebot bei Tom’s Pan sind Leberkäse, Weiß- und Bratwürste, Gulasch, Wurstplatte, Weizenbier, kostenloses WiFi und einiges mehr. Es gibt Brot, Delikatessen und Souvenirs zu kaufen. Über Preise, Größe der Portionen, Qualität und Frische der Speisen kann sich jeder selbst ein Urteil bilden. Dann entdeckt uns Tom, Bäcker und Konditor aus Deutschland, der schon viele Reisende hat vorbeiziehen sehen und lädt und gleich zu sich nach Hause ein. Hier gibt es noch mehr Bier und wertvolle Informationen, was wir uns ansehen sollten und was wir uns vielleicht sparen können.

Der Vulkan Arenal, dessentwegen wir hierher kamen, auf der Liste der aktivsten Vulkane der Erde an vierter Stelle, spuckt nicht mehr. Und das schon seit rund neun Monaten. Er war berühmt dafür, permanent im Abstand von wenigen Minuten glühende Lava auszuspucken. Die teure Nachtwanderung können wir uns jedenfalls sparen, denn bei Dunkelheit war das Schauspiel besonders beeindruckend, nur übertroffen von dem erdbebenartigen Zittern, das jedem Ausbruch voranging, und dem laut fauchenden Speien, das ihn begleitete. Vor Jahren durften wir dieses imposante Ereignis erleben, aber das war leider vor Einführung der Digitalfotografie.

Für die Nacht kehren wir an den See zurück, da wir unter Tom’s Eingangstor nicht durchpassen. Sollte man in Costa Rica ein freies Fleckchen finden, kann man vermutlich ohne Bedenken campen. Obwohl auch Costa Rica mittlerweile so etwas wie Kriminalität kennt, ist die Sicherheitslage dennoch überdurchschnittlich gut im Vergleich zum restlichen Mittelamerika, nur Autoaufbrüche sind nicht selten. Auch sonst vermittelt Costa Rica ein zunächst positives Bild: Das drittkleinste Land der Kontinentalbrücke (etwa so groß wie Niedersachsen) – nach El Salvador und Belize – hat 4,4 Mio. Einwohner, die eine sensationell niedrige Analphabetenrate und die höchste Lebenserwartung der Gegend vorweisen, das höchste Pro-Kopf-Einkommen erwirtschaften, vornehmlich mit Tourismus, und die weit weniger Naturkatastrophen hinnehmen müssen als ihre Nachbarn.

Costa Rica, die „reiche Küste“, schaffte seine Armee bereits 1949 ab, als es sich eine demokratische Verfassung gab. Seine liberale, sozial Gesetzgebung, seine vielfältigen Naturschönheiten wie seine erklärte Neutralität trugen dem Land den Titel „Schweiz Lateinamerikas“ ein. Was die Ticos, wie die Bewohner sich selbst nennen, mit Stolz erfüllt, erweckt in mir Zwiespalt. Die Wirtschaftskrise schüttelt Costa Rica stärker als seine Nachbarländer – wer soll das alles noch finanzieren? Der Versuch, es den schweizerischen Vorbildern nachzutun, geht auf Kosten touristenfreundlicher Preise. In Costa Rica ist alles teuer bis unverschämt teuer, was bei Bezahlung in Colón (CRC) kaum auffällt, da man bei Beträgen mit vielen Nullen schnell den Überblick verliert: Für einen Euro erhält man etwa 700 CRC.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.