Boquete, Panama – „Oh, wie schön ist Panama“ (Janosch)

Der Grenzübergang Paso Canoas an der Interamericana, wie die Panam hier genannt wird, ist der wichtigste nach Panama. Die costaricanische Seite ist mal wieder äußerst dezent beschildert. Die Dame an der Migración ist sehr freundlich und übt sogar ihr Englisch an uns. Im Gegensatz dazu sind wir für den Mann von der Aduana eine einzige Zumutung. Nicht so sehr wir persönlich, sondern die Anwesenheit eines jeden Kunden, der ihn zu einer anderen Handlung zwingt als vor seinem schwarzen Computerbildschirm zu meditieren. Das ist in seinem Tagesablauf nicht vorgesehen. Zu allem Unglück verdrückt sich sein Kollege, während wir ein Formular für die Fahrzeugausfuhr ausfüllen müssen. Der arme Mann kann nicht einmal sprechen. Seine Befehle gibt er per Kopfnicken, ein Handzeichen ist fast mehr, als er erübrigen kann. Nun muss er sich auch noch erheben, um das Corpus Delicti zu besichtigen. So ganz hat sich Mr. Cool doch nicht im Griff. Kurzfristig entgleitet ihm sein Gesichtsausdruck ins Erstaunte, als er Arminius ansichtig wird. Wieder offiziell, tippt er stumm und vorwurfsvoll auf eine Stelle in der Einfuhrbescheinigung. Bei unserem Kennzeichen gab es eine Buchstabenverwechslung. Später stellen wir fest, dass auch die Fahrgestellnummer auf dem Formular nicht korrekt war, die kontrolliert er zum Glück nicht. Wir hätten bei der Einreise besser aufpassen müssen, so was kann zu Problemen führen. Ungerührt zucke ich die Achseln. „Das muss wohl ein Fehler sein“, meine ich lapidar, denn die Nummer „obercooler Haudegen“ beherrsche ich auch. Er unterzeichnet die Papiere und lässt uns fahren.

Jetzt kommt Panama. Ein paar Beamte weisen die Fahrzeuge ein und zeigen, wo man hinmuss. Zwei von ihnen behaupten, wir müssten zuerst zur Aduana, dann zur Migración, einer sagt das Gegenteil. Wir schließen uns der Mehrheit an. Nach einer Phase der Ignoranz wirft ein Beamter einen Blick auf unsere Papiere und schickt uns erst mal ins Versicherungsbüro. Ach ja, hätte man uns das nicht gleich sagen können? Seit etwa drei Jahren benötigt man eine panamaische Kfz-Haftpflicht. Sie kostet US$ 15 für 30 Tage Aufenthalt. Zurück am Zoll lässt man uns so lange warten, um sicherzustellen, dass die nächste Station garantiert schon Mittagspause hat. Panama befindet sich in einer anderen Zeitzone und ist dem Rest Mittelamerikas eine Stunde voraus. Endlich lässt sich der Beamte herab, uns zu informieren, dass wir die beiden Versicherungspapiere bei einer anderen Zöllnerin abstempeln lassen müssen. Ach ja, auch das hätte man uns vorher mitteilen können. Vielleicht kann sich der durchschnittliche Reisende nur eine Order auf einmal merken? Eher scheint Absicht dahinterzustehen. Man soll gefälligst einen Tramitadór, einen Helfer, nehmen. Wenn man je darüber nachgedacht hat, Panama ist der richtige Zeitpunkt, aber es geht definitiv auch ohne.

Die zuständige Zöllnerin (im Seiteneingang) ist in der Mittagspause und um eins zurück, erfahren wir. Das wäre in einer halben Stunde. Hat man in Costa Rica eine Verabredung um eins, so sagte man uns, dann ist das so gegen viertel vor zwei. Ich vermute, dass es in Panama ähnlich ist, und mein Gefühl soll mich nicht trügen. Ein genervtes Heer von Reisenden erwartet Punkt dreiviertel die hold lächelnde Königin, die bestens gelaunt ihre ausgedehnte Mittagspause beendet. Innerhalb knapper zwei Sekunden knallt sie einen Stempel auf jedes Papier, das war’s. Ich fasse es nicht. Dafür musste ich geschlagene eineinviertel Stunden warten. Hätte ich selbst stempeln sollen? Hätte nicht ein anderer Beamter die vermaledeiten Bestätigungen aufs Papier donnern können? Der panamaische Zoll ist ein Musterbeispiel zentralamerikanischer Ineffektivität. So wird das nix, Leute, so bleibt ihr ewig Entwicklungsland. Andererseits: Wer sagt uns, dass unsere vielgerühmte deutsche Effizienz das Maß aller Dinge ist? Mal ehrlich: was bringt sie uns? Ein Heer von Arbeitslosen, von den Hartz-IV-Empfängern nicht zu sprechen. Ein Heer von Rentnern, die möglichst früh aus dem Arbeitsleben ausscheiden sollen, deren Renten aber auch niemand bezahlen kann. Ist es die bessere Lösung, wenn jeder etwas weniger arbeitet, dafür weniger Geld bekommt und dadurch mehr Menschen einen Arbeitsplatz haben? Zumindest überlegenswert. Wenn auch momentan nervig für uns.

Zurück an der Glaswand vor dem Schalter heißt es erneut warten. Als der Zöllner endlich mit unseren Papieren vor seinem Computer sitzt, pustet er die Backen auf angesichts des unverständlichen deutschen Fahrzeugbriefs. Ich biete ihm das salvadorianische Papier als Vorlage an, um den Vorgang zu beschleunigen. Er grabscht es undankbar und wortlos, immerhin ergeben sich anschließend Fortschritte. Übrigens ist Arminius zur Abwechslung ein Camper. Dann verschwindet meine spanische Vorlage in dem Stapel geklammerter von mir herbeigeschaffter Kopien. Mein etwas gespannter Geduldsfaden strafft sich weiter. „Das salvadorianische Papier!“, herrsche ich ihn an. Das wirkt, ich erhalte die neue Importbescheinigung und meine Vorlage umgehend zurück. Ich sollte besser Kopien anfertigen. Draußen schnappe ich mir einen anderen Zöllner zwecks Fahrzeugkontrolle. Er will unsere Kabine sehen, öffnet ein paar Schränke und Schubladen, rührt aber nichts an und verliert schnell die Lust. Die 60 Büchsen deutsches Oettinger-Bier aus Costa Rica unter dem Tisch interessieren niemanden.

Die Migración ist fast überall zügig: Formular ausfüllen, in die Kamera lächeln, Stempel in den Pass, fertig. Als letztes folgt die Fahrzeugdesinfektion. Am Schalter stehen mir zu viele Menschen, man lernt ja dazu. Naiv trapse ich mitten ins Büro und mache mich mit ein paar Witzen auf Kosten meines nicht anwesenden Mannes beliebt. (Ob ich Haustiere dabei habe? Nein, nur meinen Mann. Ob der auch an der Leine gehe? Sorry, Jörg.) Der Erfolg ist gegeben, ich komme sofort dran und zahle 6 $. Anschließend durchfahren wir die Desinfektionsschleuse und sind in Panama. Nach wenigen Kilometern erfolgt eine erneute Kontrolle: Pässe, Fahrzeugimportbestätigung, Kabine öffnen. Der Offizier lässt sich die eine oder andere Tür bzw. Schublade öffnen, ohne irgendetwas zu kontrollieren. Dann kommen wir zum Hauptpunkt der Angelegenheit. Der Ältere posiert vor Arminius und lässt sich von seinem Untergebene fotografieren. Menschlich, was soll’s.

In David, der zweitgrößten Stadt des Landes, erstehe ich problemlos eine SIM-Karte und einen Internetstick. Die Firma Claro ist ab Mexiko bis nach Südamerika verbreitet, zum Teil unter unterschiedlichen Namen. Der USB-Stick kann weiterverwendet werden, nur die SIM-Karte muss jeweils ausgetauscht werden.

Die Panamericana verläuft in Panama in der pazifischen Tiefebene nahe Meeresniveau. Hier ist es entsprechend heiß. Ab David führt eine 37 km lange, fast kerzengerade Straße nach Boquete auf 1200 m, dem Hauptkaffeeanbaugebiet des Landes. Wir versprechen uns eine kühle Nacht hier. Panama gilt – bis auf einige Ausnahmen – als so sicher, dass man frei campen kann. Auch die schwer bewaffneten Sicherheitsleute auf Parkplätzen, vor Banken und manchen Geschäften, die schon seit Costa Rica verschwunden sind, tauchen hier nicht wieder auf. Der von Reisenden genutzte Parkplatz gegenüber der Touristeninformation in Boquete ist derzeit wegen Straßenbauarbeiten unzugänglich. Wir finden ein schönes ruhiges Plätzchen am Fluss (N 08°47’05.3’’ W 82°25’45.7’’). Vorsichtshalber sage ich dem Portier im gegenüberliegenden distinguierten Hotel Bescheid, um Probleme zu vermeiden. Der Rezeptionist nimmt mein Anliegen ungerührt entgegen, hat nichts dagegen und erklärt, ganz Panama ist sicher. Wunschdenken oder Realität?

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