Coconuco, Kolumbien – Ein vorzeitiges Resümee

Unser Kolumbienaufenthalt neigt sich langsam dem Ende zu. Unser vorzeitiges Fazit ergibt: Der Aha-Effekt ist ausgeblieben. Das Land lässt uns mit ambivalenten Gefühlen zurück. Die Menschen sind ausgesprochen höflich und ehrlich, jedoch nur im Süden des Landes: Man wird stets mit Señora bzw. Señor angesprochen. Bedankt man sich für eine Dienstleistung, lautet die Antwort nicht schlicht „danke“, sondern „a la orden“, zu Befehl. Hier bekommen wir sogar hin und wieder etwas geschenkt. Zwei Päckchen Käse zum Probieren, zwei Beutel Mineralwasser an der Tankstelle, Pizzas und Blätterteigpasteten von einem Essenslieferanten, der unszufällig sieht, oder die zwei Laib Brot von heute Morgen. Die hatte ich gestern bei der Verwalterin des El Maco nach Preisliste bestellt, doch sie drückt sie mir als Abschiedsgeschenk in die Hand. Auch wenn es Weißbrot ist, es ist saftig und hat eine schöne feste Krume. Die Bäckereien, Panaderias, verkaufen in unterschiedlichen Formen den stets gleichen Teig, der einem Hefezopf entspricht. Und in den Supermärkten des gesamten amerikanischen Kontinents erhält man den gleichen gummiartigen Toast, ob mit oder ohne Vollkorn. Zum Selbstbacken ist nicht immer die Zeit da, und oft ist es zu warm, den Ofen in der Kabine anzuwerfen.

Eine Studie, die Kolumbianer gerne zitieren, stellt sie als die zweitglücklichste Nation der Welt dar. Die Wahrheit vermag ich nicht zu beurteilen, aber Lebensfreude sieht anders aus. Sie äußert sich nicht in der Anzahl von Feiertagen, die sich ein Land gönnt; auch nicht in der Lautstärke der Musik, mit der sich die Menschen bedröhnen. Dafür sind die Kolumbianer ausgesprochen gebildet und kulturell interessiert. Die Kunst- und Philosophieuniversitäten des Landes sind gut besucht. Kolumbien hat eine Vielzahl von international anerkannten Künstlern hervorgebracht. Dazu gehören Maler und Bildhauer wie der hoch bezahlte Fernando Botero. Nicht nur der internationale Schlagerexport Shakira ist ein Kind Kolumbiens, zahlreiche Musiker traditioneller Latino-Stilrichtungen sind auf dem ganzen Kontinent bekannt. Auch die Literaturszene hat Größen hervorgebracht, allen voran Nobelpreisträger Gabriel Gárcia Márquez, der mit weltweit 32 Mio. verkauften Büchern, übersetzt in 26 Sprachen, der meistgelesene Autor der Erde ist. Ich gestehe: Mit seinen Klassikern „Hundert Jahre Einsamkeit“, „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ oder „Der General in seinem Labyrinth“ ist er auch mein Lieblingsautor.

Die Landschaften Kolumbiens sind enorm vielfältig und grün, das ist sein Reichtum. Doch ist es mehr die gesammelte Nettigkeit dieser Naturhübschheiten denn einzelne herausragende Attraktionen. Die großen Highlights sucht man vergebens. Kolumbien ist kein teures Reiseland. Vielerorts findet man günstiges Essen und einige Landschaften sind keine teuren Nationalparks, sondern können kostenlos besucht werden. Noch. Denn Kolumbien hat bereits entdeckt, dass man mit Tourismus Geld machen kann. Lediglich das rechte Maß fehlt stellenweise. Preise in Restaurants, für Führungen, Eintritte, Straßenmaut und Übernachtungen stehen oft in ungünstigem Verhältnis zu dem, was geboten wird. Im gesamten Tourismusbereich (selbst in hoch gebildeten Kreisen) spricht kaum jemand Englisch. Man kann nicht von jedem Überseetouristen erwarten, dass er vor seiner Reise eine Spanischkurs besucht – immer im Verhältnis zum verlangten Preis gesehen. 20 € für das nächtliche Parken vor einem Restaurant zu fordern ist schlicht unverschämt. Es sei denn, man sucht die Übernachtungsgäste zu vertreiben. Hier scheint sich in den letzten Jahren einiges zum Negativen verändert zu haben.

An den Thermalquellen von Aguatibia bei Coconuco will man 8.000 Peso (3,20 €) Eintritt pP und zusätzlich 15.000 Peso (6 €) pro Fahrzeug / Zelt fürs Campen (keinerlei Service bis auf sehr weit entfernte Toiletten und kalte Außenduschen) – grenzwertig. Wir bleiben trotzdem, um unsere vom Reiten beanspruchten Muskeln in den gut körperwarmen, algengrünen, perlenden Thermalbecken und dem etwas kühleren, klarblauen, mit Fischchen bestückten Mineralwasserbad zu entspannen. Außerdem sind Übernachtungsplätze in der Gegend extrem rar. Coconuco liegt an der Straße # 20 von San Agustín nach Popayán. Für die gut 100 km kalkuliert man fünf Stunden: eine Stunde Asphalt, drei Stunden Schotterpiste mit unzähligen Baustellen, in denen der Verkehr nur einspurig läuft. Auf der Hochebene in 3.000 m durchquert man unterschiedliche Bewuchszonen. Bäume werden niedriger und verschwinden nach und nach, bis im Nationalpark Puracé dichtes, nichtsdestoweniger bunt blühendes Buschwerk den Boden bedeckt. Das wird abgelöst von einer Savanne, auf der Frailejonas bzw. Espeletia wachsen. Diese Korbblütler sind typisch für das tropische Hochland, wachsen aber nur im nördlichen Südamerika. Die sogenannten Halbsträucher sind wenig mehr als kniehoch, auf einem Stamm aus vertrockneten Blättern wächst ein ananasartiges Krönchen, das entfernt an eine kleine Agave mit weißem Pelz erinnert.

Gegen Ende der Schotterpiste, als es bereits wieder talwärts geht, liegen die Thermalquellen. Kurz darauf beginnt wieder Asphalt. Von hier ist es eine weitere Stunde bis Popayán. Termales Aguatibia, Coconuco, N 02°18’23.9’’ W 76°30’26.0’’

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