Reserva de la Paz, Ecuador – Der Vogelflüsterer

„Manuela, Pancho, Maria” ruft Angel, und dann mit hoher Stimme erneut „Manuelita, Panchito, Maria”. Was dann passiert, ist eigentlich unglaublich. Zwei der schon als ausgestorben geglaubten Riesenameisenpittas – Maria und Pancho – kommen aus dem Gebüsch gelaufen und lassen sich von Angel mit einer Art Holzwurm füttern. Diese knapp 30 cm großen, braunen, am Boden lebenden Vögel sind extrem selten und so scheu, dass sie sich stets unsichtbar im dichten Unterholz des tropischen Nebelwalds verstecken. Maria ist die Großmutter, Manuela, die sich heute nicht zeigt, die Tochter und Pancho der erst acht Monate alte Enkelsohn, der seinen Baby-Bettelruf noch nicht abgelegt hat.

Angel Paz ist der Mann, der dieses kleine Wunder vollbracht hat. Er ist Mitinhaber des privaten Naturschutzgebiets Reserva de la Paz und unser Führer. Angel hat noch weitere Vögel angefüttert, darunter eine ganze Reihe von verschiedenen, etwas kleineren, ebenfalls Insekten fressenden Ameisenpittas und vegetarischen Schwarzrückenwachteln; alles Vögel, die zwar fliegen können, aber meist verborgen im Dickicht am Boden nach Nahrung suchen. Für Bird Watcher, Vogelbeobachter wie die beiden Amerikanerinnen, die uns begleiten, und Naturliebhaber ist das eine kleine Sensation.

Das Anfüttern scheint den Pittas ungefähr so wenig zu schaden wie Meisenknödel im Winter nach draußen zu hängen. Während ihrer Fortpflanzungsperiode ziehen sich die Vögel für zwei Monate in höhere Lagen zurück und sind nach ihrer Rückkehr bis zum Ende der etwa vier Monate andauernden Regenperiode nur schwer anzulocken, da sie dann selbst leicht genug Futter finden. Außerdem muss man solche Initiativen schlicht begrüßen, denn sie bewahren die letzten Stücke Primärwalds vor dem Abholzen.

Andere Vögel lassen sich schon von Angels reichem Repertoire an Lockrufen (bzw. von dem mit dem iPod aufgenommenen und per Aktivlautsprecher abgespielten) anziehen oder von einem der Unterstände an der passenden Stelle beobachten. So wie die ebenfalls seltenen bis zu 40 cm großen Andenfelshähne mit ihrem auffälligen Federkleid: quietschrote Puschelkopfhaube, die sich bis über den halben Oberkörper zieht, schwarzer Bauch und graue Flügel. Die Weibchen sind eher unscheinbar braun. Auch unzählige Arten von Kolibris und anderen Vögeln erfreuen den Fotofreund. Trotz eines lichtstarken Teleobjektivs ist diese Art Tierfotografie in dem dunklen Wald schwierig. Ganz billig ist das Vergnügen zudem nicht: 20 $ nimmt Angel mittlerweile, besucht man anschließend noch das Grundstück seines Bruders, um zwei weitere seltene Ameisenpittaarten zu sehen, kommen weitere 5 $ hinzu.

Dafür bekommen wir ein siebenstündiges Programm (von 5:30 bis 12:30 Uhr) mit einer Kaffeepause und deftigem Frühstück zwischendurch, das aus einem großen frittierten Kochbananenknödel mit Hühnchenfüllung (ecuadorianische Spezialität) und einer ebenfalls ausgebackenen Empanada, die hier ausnahmsweise aus einem großen, zusammengeklappten Mehlfladen (statt Mais) mit Käsefüllung besteht. Der Kaffee ist stark, aber erstaunlicherweise nicht bitter und einfach köstlich. Außerdem machen wir Bekanntschaft mit Angel Paz und seiner Familie, einem supernetten, Natur liebenden, waschechten Indígena, der beim Suchen und Anlocken der Vögel echte Arbeit leistet, unterstützt von einem Bruder. Bei den vielen Männern, die sich im Laufe des gestrigen Abends und heute als sein Bruder vorstellen, verliere ich ein wenig den Überblick. Als mir Angel erzählt, dass sie insgesamt neun Brüder sind, mache ich mir weiter keine Gedanken. Am Ausgangspunkt der Wanderung gibt es eine Küche, Toiletten und Esstische. Wir dürfen hier kostenlos campen, solange wir wollen, sogar Küchenbenutzung wird uns angeboten.

Eine Anmeldung für den Besuch des Reserva de la Paz ist unabdingbar, da der Reservatsstützpunkt nicht ständig besetzt ist. Das geht entweder über einen Touranbieter oder direkt per Telefon, wenn man Spanisch spricht: +593 (0)87 253674. Auf der Straße # 28 nach Los Bancos biegt man von Quito kommend 10 km hinter Nanegalito kurz nach km 65 (bei N 00°01’59.0’’ W 78°43’14.7’’) nach links in einen Fahrweg ein. Nach 4,5 km erreicht man den kleinen Parkplatz (N 00°01’12.3’’ W 78°42’26.0’’). Wer den steilen Pfad nicht selbst fahren will, kann in Nanegalito bei Angels Finca übernachten. Ein wenig mehr Bodenfreiheit sollte jedoch bei Trockenheit genügen. Wer der Brücke nicht traut, kann direkt durch den seichten Fluss fahren. Im nächsten Jahr sollen auf dem Berg sogar Cabaña-Unterkünfte gebaut werden. Der Übernachtungsplatz verdient fünf Sterne, da er so einsam und ruhig ist, dass man weder Verkehr noch bellende Hund hört.

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