Nanegalito, Ecuador – Verbrechen ist real

Langsam nagt die Sonne an Arminius. Der Lack bleicht an exponierten Stellen marginal aus, und die UV-Strahlung zersetzt so langsam die Dichtungsmasse an unseren Kabinenfenstern. Jörg baute zwei der Fenster aus und dichtete sie neu ab. Währenddessen versuchte ich, ein Quinoabrot zu backen. Hätte ich vorab im Internet recherchiert, hätte ich gewusst, dass man aus reinem Quinoamehl kein vernünftiges Ergebnis zustande bringt. Quinoa ist eine uralte Getreidesorte, die schon vor Jahrtausenden in dieser Gegend zum Brotbacken verwendet wurde. Für eine Zeitlang war das eiweißreiche Korn in Vergessenheit geraten, bis es vor einigen Jahren von der Reformkost wiederentdeckt wurde. Mein Brot ging nicht richtig auf und ist brüchig. Wenigstens blieb es dabei weich. Geschmack und Farbe erinnern flüchtig an Gras (Jörg meint Schweineschrot), wenn auch nicht unangenehm.

Bevor wir heute Morgen abfahren, erreicht uns eine E-Mail, die uns wieder einmal vor Augen führt, dass Verbrechen real ist. Unsere Bekannte Margie im mexikanischen San Miguel de Allende, amerikanische Ex-Lehrerin und entzückende ältere Dame, wurde in ihrem eigenen Haus überfallen. Ihre beiden großen respekteinflößenden, aber nicht zu Wachtieren ausgebildeten Hunde wurden erschossen, sie selbst mit vorgehaltener Waffe ausgeraubt. Das ist keine Einzelfall: Das Haus und das Auto unserer Freundin Tessa aus der gleichen Stadt waren während ihrer Jahre in Guatemala immer wieder beraubt worden, vor wenigen Monaten ist ihr das gleiche an ihrem mexikanischen Wohnsitz passiert. Ihre Freundin Patricia, die wir im guatemaltekischen Panajachel besuchten, war in der dortigen Hauptstadt an einer Ampel unter vorgehaltener Waffe gezwungen worden, aus ihrem neuen Pick-up auszusteigen.

Viele andere unserer Freunde, ob in Mexiko, Guatemala, Panama oder anderen Ländern, hatten mehr Glück. Doch auch sie schützen sich mit vergitterten Fenster, abgedunkelten Autoscheiben, Alarmanlagen oder gar Leibwächtern. Julius’ ecuadorianischer Frau wurde das Handy dreimal per Rasierklinge aus der Handtasche herausgeschnitten, seitdem möchte sie keines mehr. Selbst Julius machte schon seine Erfahrungen: Die Polizei versuchte, Schutzgeld von ihm zu erpressen. Er bot ihnen an, gerne von Zeit zu Zeit auf einen Kaffee oder ein Bier vorbeizuschauen, aber Geld gebe er keines. Er bekam mehrfachen Besuch, aber schließlich ließen sich selbst die korrupten Beamten überzeugen, dass es Julius ernst ist, und dass der ehemalige Leibwächter mit seinem umfangreichen Waffenarsenal durchaus in der Lage und vor allem willens ist, sich und seine Familie zu verteidigen. Er hatte bislang keine Probleme.

Es scheint, dass vor allem alleinlebende, scheinbar wehrlose Frauen bevorzugtes Opfer von Gewaltkriminalität werden. Und dass oft schon die Bereitschaft und Fähigkeit zur Verteidigung abschreckende Wirkung zeigen. Auf jeden Fall aber macht Margies schreckliches Erlebnis klar, dass die Welt, vor allem nicht in Lateinamerika, so heil ist wie sie sich – glücklicherweise – dem gemeinen Reisenden meistens präsentiert.

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