Parque Nacional Chimborazo, Ecuador – Die höchste Erhebung der Welt

Ich höre Euch aufstöhnen. Was behauptet sie denn jetzt wieder? Der höchste Berg der Erde ist doch der Mount Everest! Stimmt. Und doch habe ich Recht. Der Vulkan Chimborazo ist der Punkt auf unserem Planeten, der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt ist. Daher wurde er über lange Zeit für den höchsten Berg der Welt gehalten. Was er paradoxerweise nicht ist. Sein Gipfel ist lediglich 6.310 m von der Erdoberfläche entfernt. Wie geht das jetzt zusammen? Greifen wir zurück auf Galileo Galilei. Der hatte nämlich doch nicht Recht mit seiner Behauptung, die Erde sei eine Kugel. Jedenfalls nicht ganz. Isaac Newton statuierte, dass die Erde aufgrund ihrer Drehung und der dadurch wirkenden Zentrifugalkraft am Äquator ausgebeult und an den Polen abgeflacht sei. Erst später wurde diese Theorie bewiesen. Daher ist auch Meeresniveau nicht gleich Meeresniveau. Die Oberfläche der Ozeane ist am Äquator ebenfalls weiter vom Erdmittelpunkt entfernt als in der Nähe der Pole.

Wenn auch der Chimborazo nicht der höchste Berg der Erde ist, er ist Ecuadors einziger Sechstausender. Sein Gletscher vereist wegen mangelnden Neuschnees, Erderwärmung und steigender UV-Strahlung zusehends und wird daher immer schwieriger zu besteigen. Doch so hoch wollen wir ja gar nicht hinaus. Die gut asphaltierte Straße südlich des Vulkans liegt schon auf über 4.000 m, und so ist es nur noch ein Klacks, die acht Kilometer Staubstraße bis zur Hermanos-Carrel-Hütte auf 4.800 m hochzufahren. Hier gibt es einen Parkplatz und unweit davon eine kostenlose Campingzone (S 01°28’21.0’’ W 78°50’56.6’’, 4.845 m).

In der Rangerstation an der Zufahrt (S 01°29’51.0’’ W 78°52’29.9’’) müssen wir auch diesmal nur 2 $ Einheimischen-Eintritt pro Person bezahlen, selbst der zweite Tag ist kostenlos, obwohl wir angeben, übernachten zu wollen. Zwischen 17 und 8 Uhr soll der Posten nicht besetzt sein, aber wir zahlen die 4 $ gerne, schließlich muss sich der Park finanzieren. Im Campingbereich war schon lange niemand mehr, der Schnee ist wohl zu tief. Arminius fühlt sich da richtig wohl, und wir in der verschneiten Einsamkeit unterhalb des Berggipfels natürlich auch. Nachdem der Motor aus ist, trauen sich auch die Vikunjas wieder heran. Vikunjas sind eine von vier Arten der höckerlosen Neuweltkamele. Zwei davon sind ursprüngliche Wildformen – Guanakos und Vikunjas – die anderen beiden, Lamas und Alpakas, sind Jahrtausende alte Züchtungen. Vikunjas sind mit 80 cm Schulterhöhe die zierlichsten und elegantesten, aber auch seltensten und gefährdeten Andenkamele.

Wegen ihres Fells – des feinsten und teuersten, das wir kennen – wurden sie nahezu ausgerottet. Seit fast 50 Jahren ist ihre Jagd verboten, sie werden nur zur Schur eingefangen und anschließend wieder freigelassen. Ein Tier gibt dabei lediglich ein Pfund Wolle, das Kilo kostet bis zu 500 Euro. Ihr seidenzartes Fell ist gelbbraun bis rotbraun, der Bauch ist weiß. Vikunjas haben sich von allen vier Arten am besten an ihre kalte karge Umgebung angepasst. Sie leben nie unter 3.500 m Höhe, aber über 5.000 m werden sie noch gesehen. Genügsam knabbern sie an Moosgeflechten und Gräsern, ihr Kot düngt die Bergwiesen und wirkt damit der ständig drohenden Erosion entgegen. Dank eines Wiederansiedlungsprojekts der Schweizer Regierung erholt sich der Bestand prima, trotz Gefährdung der Tiere durch wiederkehrenden Ascheregen des benachbarten Tungurahua-Vulkans, Fahrzeugen auf den Straßen und Andenfüchsen, die die Kleinkamele anfallen. Die Bauern der Umgebung bekamen Lamas und Alpakas geschenkt, im Gegenzug zogen sie die gefräßigen Schafe ab, die auch den Vikunjas die Nahrung streitig machten.

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