Baños, Ecuador – Der Tungurahua rülpst

Eine hunderte Meter hohe Rauchfahne entweicht seinem Schlund. Dicker Qualm steigt in die Atmosphäre auf. Mit gemischten Gefühlen betrachten wir den außerordentlich aktiven Tungurahua, wähnen uns aber relativ sicher auf der anderen Seite der tiefen Pastaza-Schlucht, die uns nicht nur einen hervorragenden Beobachtungsposten sichert, sondern hoffentlich ausreichenden Abstand zwischen uns und den Vulkan bringt. Nur für den Fall, dass… Der 5.016 m hohe Tungurahua gehört zu den aktiven Vulkanen Ecuadors. Sein gewalttätigster Ausbruch erfolgte 1777, doch auch in jüngster Vergangenheit machte er von sich reden: 1999 wurde der Ort Baños für mehrere Monate zwangsevakuiert, und 2006, 2007 und 2008 wurden bei Ausbrüchen einige Dörfer am Fuß des Vulkans von heißen Schlamm- und Gerölllawinen überrollt. Erst seit einigen Tagen macht der Tungurahua wieder von sich reden. Außer Rauch spuckt er gelegentlich Lava und glühendes Geröll in die Luft, was nachts bei wolkenfreiem Himmel zu sehen sein soll.

Auf dem Weg nach Baños passieren wir Pelileo, das Zentrum der ecuadorianischen Jeansproduktion. Für Herren bekommt man perfekt imitierte Markenjeans mit „Original“-Label für konkurrenzlose 10 $. Die Damenkollektion spiegelt leider ausschließlich das wider, was modebewusste südamerikanische Frauen tragen. Wer durch diesen Kontinent reist, wird die Erfindung der Leggings als optische Belästigung verfluchen. Mit Lycra verstärkte fußlose Strumpfhosen umfassen gnadenlos die in den meisten Fällen ausladenden Hinterteile der weiblichen Hälfte des südlichen Kontinents. Mit kurzen T-Shirts und Blusen wird sichergestellt, dass nichts davon unnötig verdeckt wird. Ein Paar Highheels oder Stiefel dazu sind natürlich ein Muss. Nein, ich kaufe keine Hosen.

Das mit der Sicht auf den Vulkan ist auch so eine Sache. Die heiße, mittlerweile schneefreie Spitze ist stets umgeben von Wolken, die sich an ihm verfangen oder Wasserdampf, den er selbst produziert. Nach unserer Wanderung am Chimborazo fahren wir nach Baños, dem Städtchen zu Füßen des Vulkans Tungurahua, dem ecuadorianischen Paradies für Rucksackreisende. Wir kommen weniger wegen des bunten Treibens hierher als wegen der Fotos, die wir zu ergattern hoffen. Die Touristeninformation an der Basilika in der Ortsmitte verteilt Stadtpläne und Informationen zu den Aussichtspunkten. Am nahesten dran ist man an der Casa del Arból mitten auf dem Berg. Irgendwie finden wir es für Fotos zunächst nicht optimal hier und außerdem steckt man schon in den Vulkan-Wolken drin. Auf der anderen Seite des tiefen Flusstals, in der Sicherheitszone, fahren wir stattdessen auf den Berg Las Antenas auf 2.600 m Höhe. Die Straße ist neu gepflastert, hat aber einige sehr steile und enge Serpentinen – mit Fahrzeugen länger als ca. 8 m könnte es schwieriger werden.

Am Mirador Ojos del Volcán gibt es ein Restaurant (nicht täglich geöffnet) und in der Spitzkehre eine Art Parkstreifen auf dem Gras. Das Dorf scheint wie ausgestorben, und erst nach längerer Suche entdecke ich einen Bewohner, der sofort anbietet, dass wir stattdessen auf seinem Grundstück stehen bleiben. Der Mann muss nur das Volleyballnetz auf dem Platz entfernen, damit Arminius hier parken kann (S 01°23’02.1’’ W 78°26’14.1’’). Die Sicht auf das Ungeheuer ist perfekt. Gnädig zeigt er sich uns einmalig kurz für wenige Minuten zwischen umherwabernden Nebelschwaden. Zu sehen bekommen wir ihn in der Nacht nicht wieder, aber zu hören. Mitten in die Dunkelheit entlässt der Vulkan einen lauten Rülpser, eine Drohung, ein Donnern wie von einem mächtigen Feuerwerk, dann kehrt wieder Ruhe ein.

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