San Pablo, Peru – Die Versicherungsfrage

Weit kommen wir nicht. Kurz hinter Bagua stoppt uns eine Polizeikontrolle. Dem Wunsch nach den Fahrzeugpapieren und dem internationalen Führerschein können wir problemlos nachkommen, dann wird’s schwierig: Eine peruanische SOAT, eine Kfz-Haftpflichtversicherung, haben wir noch nicht. Da ich nicht sicher bin, ob der Mann Verständnis dafür hat, dass wir am gestrigen Sonntag aus einer einsamen Ecke Perus eingereist sind und noch keine Chance hatten, uns darum zu kümmern, händige ich geistesgegenwärtig die grüne Versicherungskarte aus. Unglücklicherweise sind die Länder des Gültigkeitsbereichs hinten aufgeführt, Peru ist natürlich nicht darunter.
Ich muss hinzufügen, dass fast alle südamerikanischen Länder Versicherungspflicht haben und dass es bekannt ist, dass es in einigen davon für Ausländer schwierig ist, eine abzuschließen. Ein Dilemma, das man entweder lösen kann, indem man sich schon zu Hause um eine Police für ganz Südamerika kümmert (die mittelamerikanischen Länder bestehen auf ihren eigenen Versicherungen) oder per Internet (bzw. persönlich in Buenos Aires z.B.) eine der internationalen Vor-Ort-Agenturen konsultiert. Wir haben uns bewusst aus experimentellen Gründen für den „schwierigen“ Weg entschieden und wollten versuchen, Versicherungen jeweils pro Land abzuschließen. Möglicherweise wird sich unsere Meinung nach diesem Tag ändern.
Die beiden Polizeibeamten, die abwechselnd auftauchen, sind sehr nett und erklären mir glaubhaft, dass wir eine peruanische oder südamerikanische SOAT benötigen. Ich bin der naive unwissende Tourist, der in gutem Glauben mit der grünen Versicherungskarte umherfährt und einer Missinformation erlegen ist. Nur beim Thema internationaler Führerschein kommen wir nicht so richtig zu einer Einigung. Die Uniformträger besitzen ein Anleitungsbuch, das ihnen eine Abbildung des gewünschten Ausweises zeigt, aber nach ihrem Muster muss „Internationaler Führerschein für Peru“ draufstehen. Versicherung wie Führerschein würden wir in Lima erhalten. Wie wir dahin kämen ohne die erforderlichen Papiere bei den zahlreichen Polizeikontrollen, wüssten sie auch nicht.
Ich lasse beim Thema Führerschein nicht locker. „Wir sind nur Touristen im Transitverkehr ohne Wohnsitz in Peru“, dann erkläre ich ihm die spanischen Übersetzungen in unserem Ausweis. Er kommt zumindest ins Grübeln und gibt nach. Ob Peruaner auch nach Lima zum Versicherungsabschluss müssten, frage ich? Das gehe natürlich in jedem Ort. Das will ich auch versuchen, die nächste Stadt ist Bagua Grande. Ich versichere dem Beamten mehrfach, dass wir keinerlei Schwierigkeiten mit der Polizei wünschen, bedanke mich für ihre Hilfe und schüttle kräftig Hände. Falls der Mann jemals über ein Bußgeld nachgedacht haben sollte, er erhält keine Chance dazu. Schon bin ich eingestiegen und wir brausen davon.
In Bagua Grande bietet sich einer von den Hunderten Tuktuk-Fahrern an, uns zum Versicherungsbüro zu bringen. Geld will er keines dafür. Die Versicherungsmaklerin ist sehr hilfsbereit kann aber selbst nichts entscheiden und muss mit ihrer vorgesetzten Stelle sprechen. Über Stunden nervt sie dutzende Male ihre Chefin, ohne dass uns jemand einen Tarif nennen kann. Zumindest eine der angefragten Versicherungen ist willig, uns eine Haftpflicht zu verkaufen, nur existiert die Klasse „Wohnmobil“, die in unseren Zollpapieren vermerkt ist, nicht in ihrem System. Daran droht die Sache zu scheitern. Mit Nachdruck erkläre ich schließlich, dass das Fahrzeug eine Camionetta ist (in Südamerika ein Pick-up, während man in Mexiko damit einen kleinen Lkw bezeichnete), die lediglich durch die aufgesetzte Kabine zu einem Wohnmobil geworden ist. Beweisen kann ich das mittels der Versicherungsverträge aus Kolumbien und Ecuador, die ähnliche Probleme hatten, aber weniger bürokratisch waren.
Die Versicherungsfrau packt kurzerhand ihren Scanner aus dem Umzugskarton, schickt alle Beweise an ihre vorgesetzte Stelle und telefoniert entschlossen hinterher. Nach vier Stunden des Wartens, dem Kauf einer SIM-Karte fürs Handy bei Claro (12 PEN, ein Internetstick war nicht vorrätig) und dem Aufsuchen eines Geldautomaten (max. 700 PEN auf einmal, Karte kann mehrfach eingeschoben werden), erfahren wir den Fantasiepreis der Versicherung: 247,50 Nuevo Soles (67 €) für drei Monate, die Maklerin selbst zahlt 225 PEN für ihren Pick-up fürs ganze Jahr. Das wäre so, weil wir Ausländer seien, wird uns gesagt. Ausländerzuschlag ist in Peru sehr gängig, wie wir von anderen Reisenden wissen. Letzten Sommer wäre auch ein Deutscher mit einem Pick-up mit Wohnkabine dagewesen, der konnte keine akzeptable Fahrzeugklasse vorweisen. Der musst 135 € für drei Monate zahlen. Wir sind wenig begeistert, stimmen aber zu, denn Lima ist weit.
Doch das nach wie vor amüsante Abenteuer ist noch nicht vorbei. Wir erhalten lediglich eine temporäre Bescheinigung, die Originalpolice trifft erst morgen mit der Post ein. Die Versicherung sieht sich außerstande, den Brief an eine andere Adresse zu senden. Wir haben jedoch keine Lust, in dieser schwülen, 35° heißen, hässlichen, lauten Stadt noch eine Minute länger zu verbringen. Die Bürodame ist einfallsreich. Sie bietet an, den Umschlag einem Collectivo-Fahrer (Sammelbus) zu übergeben, den wir morgen Mittag am Busbahnhof in Chachapoyas treffen sollen – weitere Absprachen sollen am Telefon erfolgen.
Wir fahren weiter, ausgestattet mit weitergehenden Informationen von der plauderbegeisterten Versicherungsmaklerin zu unserem nächsten Ziel, dem Gocta-Wasserfall; unsere Reiseführer geizen diesbezüglich mit Auskünften. Auf der Straße # 8A finden wir zwischen Pedro Ruiz und Chachapoyas die Brücke über den Rio Utucumba, biegen davor links ab und folgen dem Staubweg für sechs Kilometer. Die Straße ist mangels Gegenverkehr auch für größere Fahrzeuge befahrbar. In San Pablo endet der Weg direkt an der Plaza und gleich rechts befindet sich das Tourismusbüro. Die Bewohner dieses 200-Seelen-Dorfes (Kinder mitgerechnet, Hunde nicht) sind alle so entzückend, dass wir morgen die Wanderung zum Gocta-Fall – trotz unserer Guide-Allergie – mit Führer unternehmen wollen. Tourismus gibt es hier erst seit 2008, auf der anderen Flussseite zwei Jahre länger. Schaden hat der bislang nicht angerichtet. Man freut sich noch über jeden einzelnen. Campen können wir vor dem Gesundheitszentrum neben der Kirche (S 06°02’33.2’’ W 77°55’10.3’’).
Es gibt nur ein Problem: Wir müssen morgen Mittag unsere Versicherungspolice in Chachapoyas entgegennehmen. Die Tourismusbeauftragte und der anwesende Guide überreißen die Situation schnell und helfen. Wir sollen den Minibusfahrer stattdessen unten an der Brücke treffen. Ich rufe die Versicherungsmaklerin an und erkläre mein Anliegen. Ob wir unsere Police jemals erhalten?

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