Ocucaje + Nasca, Peru – Präsidiale Spenden und das Geheimnis der Nasca-Linien

Oktober 2011: Eine Serie von 16 Erdbeben innerhalb von zwei Tagen erschüttert die Region Ica.
30. Januar 2012, 12:11 Uhr: Ein weiteres Beben der Stärke 6,3 auf der Richterskala hat sein Epizentrum in Ocucaje, 39 km unter der Erdoberfläche. 145 Menschen werden verletzt, über 1700 obdachlos, 1000 Häuser werden beschädigt oder unbewohnbar.
6. Februar 2012, 4:30 Uhr: Der Verkehr eines Dorfes erwacht, wo nicht ein Auspuffrohr einen funktionierenden Schalldämpfer besitzt.
7:20 Uhr: In aller Ruhe wird begonnen, Tribünen aufzubauen.
9:00 Uhr: Ohne Soundcheck dröhnt pünktlich die Nationalhymne aus den Boxen, Interviews werden begonnen.
10:00 Uhr: Die Veranstaltung erlahmt etwas, aber keiner geht.
11:00 Uhr: Ein Konvoi von 17 Autos kommt ins Dorf gerauscht, keines davon groß genug, dem Präsidenten angemessen zu sein. Der Bürgermeister begrüßt die peruanische First Lady, praktischerweise gleichzeitig Frauenministerin, sowie den Produktionsminister. Das sportstudiogestählte Persönchen schwingt feurige Reden und strahlt mit seinen Jeans, dem roten Peru-T-Shirt und dem grünen Kopftuch mit dem Strohhut darauf Hemdsärmeligkeit aus. Der Produktionsminister darf auch etwas sagen.
12:00 Uhr: Endlich, die in der Sonne schmorende Menge ist erleichtert, begibt sich die Jeanshose zum Lkw und kommt zum wichtigsten Tagesordnungspunkt: der Spendenverteilung. Wir können nicht erkennen, was die großen schwarzen Plastiksäcke enthalten. Ende der Vorstellung.

20 km nördlich von Nasca, (oder auch Nazca), dort, wo sich die geheimnisvollen Linien befinden, hat Maria Reiche einen Aussichtsturm erbaut (S 14°41’37.1’’ W 75°06’49.6’’). Für zwei Nuevo Soles kann man ihn erklimmen und zwei der Figuren, den Baum und die Hände, betrachten. Allerdings bekommt man nur einen skizzenhaften Eindruck von den Linien.

Vor über 1500 Jahren kratzte ein präkolumbisches Volk, das wir heute Nasca nennen, in einem 700 qkm großen Wüstengebiet über 800 gerade Linien, 300 geometrische Figuren (Trapeze, rechteckige Flächen, Spiralen) und etwa 70 pflanzen-, tier- und menschenähnliche (Biomorphe) Zeichnungen in den Sand. Diese bis zu 300 m langen Figuren bzw. kilometerlange Linien nennt man Geoglyphen. Die meisten Linien sind nur rund 20 cm breit und daumentief, doch das genügte, die durch Feuchtigkeit gedunkelte Sandschicht zu entfernen und den darunterliegenden hellen Grund zu entblößen. Die Figuren sind klar nur aus der Luft erkennbar. Warum die Nasca für sie nicht sichtbare Bodenzeichnungen fertigten und welchem Zweck sie dienten, ist bis heute unklar.

Obwohl einige der Linien schon früher bekannt waren, machte erst die deutsche Mathematikerin und Geographin Maria Reiche (1903 – 1998) ab 1946 die Erforschung der mysteriösen Zeichnungen zu ihrem Lebenswerk. Sie fand kalendarisch nutzbare Linien, aber eine endgültige Lösung ergaben ihre Theorien nicht. Neben etwas eigenwilligen Ansätzen wie die Linien seien Prozessionspfade oder gar ein Weltraumbahnhof (Erich von Däniken) scheint sich zumindest eine Teilwahrheit herauszukristallisieren: Die Geoglyphen standen in Zusammenhang mit der Verehrung von Wasser, denn einige der Linien zeigen den Verlauf von unterirdischen Wasserläufen an. Ironischerweise geht man heute davon aus, dass nicht die gnadenlose Trockenheit der Region (durchschnittlich 20 Minuten Regen pro Jahr), sondern vom Klimaphänomen El Niño hervorgerufene Fluten die Nasca-Kultur zu Fall brachten. Auch heute noch ist Wasser Nascas Feind. Die mit dem Klimawandel verstärkt auftretenden Regenfälle drohen die Linien zu verwischen. Während unserer zwei Tage Aufenthalt wird es zwei Mal, wenn auch nicht stark, regnen.

Südlich des Ortes Nasca gegenüber dem Maria-Reiche-Flugplatz, von wo aus die Rundflüge starten, bietet das Hotel Maison Suisse Camping im Innenhof an. Der stolze Preis von 20 PEN pro Person erklärt sich dadurch, dass es die einzige Option ist (außer Tankstelle). Es gibt Toiletten, Duschen, Wasser und Wi-Fi, und wenn man auf einem von zwei Plätzen weiter unten am Garten Platz bekommt auch Strom, ruhiger ist es zudem. Die zusätzlichen 20 PEN pro Person für Swimmingpoolbenutzung empfinden wir als unverschämt, aber Chef und Personal sind ausgesprochen nett und hilfsbereit (S 14°51’02.3’’ W 74°57’30.7’’).

Hotelcamping bei Nido del Condor ist nicht mehr möglich, da die Anlage geschlossen ist. Das Hotel Majoro etwas südlich benimmt sich wie Fort Knox und will mit Campern sowieso nichts zu tun haben. Unseren Flug über die Nasca-Linien buchen wir nicht über das Hotel Maison Suisse, obwohl ich den Chef von 120 auf 110 US$ herunterhandle. Die kostenlose Campingnacht wie in früheren Jahren gibt es auch nicht mehr dazu. Stattdessen fahren wir auf den Flugplatz, wo man bei den sieben verschiedenen Fluglinien direkt buchen kann. Angebot und Preise sind bei allen gleich: 30-Minuten-Flug über 12 Figuren von Nasca kostet hier nur 95 US$. Die gleiche Tour im Privatflugzeug (2 Piloten/ 2 Passagiere) kostet 100 US$, ein 35-Minuten-Ausflug in der gleichen Maschine mit 14 Figuren und zusätzlich den Aquädukten von Cantallo 110 $.

Wir entscheiden uns für letzteres bei Aero Moche. Zwar fliegen auch die Flugzeuge für vier bis sechs Passagiere je eine rechte und linke Schleife, sodass jeder Passagier alle Figuren zu sehen bekommt, aber die kleineren Maschinen können in geringeren Höhen fliegen und sind damit besser fürs Fotografieren. Der Flug sollte möglichst früh am Vormittag stattfinden. Bei tief stehender Sonne sind die Linien am besten zu sehen. Wir buchen den ersten Flug um 7 Uhr. Pro Person kommen 25 PEN Flughafensteuer (bar) dazu. Die Fluglinien verlangen 10 % Aufschlag bei Kreditkartenzahlung.

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