Cusco, Peru – Der Nabel der Welt

Der Sonnengott Inti sah auf die Erde und beschloss, dass die Menschen etwas Organisation gebrauchen könnten. So schuf er im 12 Jh. den ersten Inka, Manco Cápac, und seine Schwester-Ehefrau Mama Ocllo auf der Isla de Sol im Titicacasee. Manco erhielt einen goldenen Stab mit dem Auftrag, sich dort niederzulassen, wo er sich mit einem Schlag im fruchtbaren Boden versenken ließ. Dies würde der Nabel der Welt werden, auf Quechua qosq’o, oder eben Cusco, wie die Spanier es nannten. Zunächst aber mussten Manco Cápac und Mama Ocllo weit laufen, bis sie den richtigen Platz fanden, unterwarfen gleich mal die Ureinwohner und gründeten nach der Legende das erste Inkareich. Bewohnt ist Cusco, auf 3.400 m Höhe gelegen, schon seit mindestens 2.000 Jahren, nimmt man an. Damit gilt sie als älteste kontinuierlich besiedelte Stadt Amerikas.

Bis zum achten Inka – nur der König durfte sich ursprünglich Inka nennen – beherrschten sie ein eher kleines Areal rund um Cusco und lieferten sich hin und wieder kleine Schlachten mit anderen Hochlandvölkern. 1438 gab es wieder so ein Gefecht, das der König verloren glaubte und die Flucht ergriff. Sein Sohn weigerte sich aufzugeben und mit Hilfe einiger erfahrener Generäle schlug er seine Gegner in einem verzweifelten letzten Vorstoß zurück. Derart Blut geleckt begann Pachacutec, der neunte Inka, gefolgt von seinem Sohn und seinem Enkel, ihr Reich systematisch auszuweiten, Völker kriegerisch zu erobern, zu unterwerfen, ihnen ihre Sprache, Kultur und Götter aufzuzwängen. (Ganz anders als die Spanier, nicht?) Dabei legten sie erstaunliches strategisches Geschick an den Tag, indem sie z.B. ganze Völker zwangsumsiedelten, um die so Entwurzelten gefügig zu machen.

Es bedurfte nur 100 Jahre und das Inkareich erstreckte sich von der heutigen Grenze Kolumbien-Ecuador im Norden bis südlich von Santiago de Chile. Dann war es auch schon wieder vorbei mit der Macht. Wie berichtet teilte der 11. Inka das Reich unter seinen beiden Söhnen auf, die sich bekriegten. Der Sieger Atahualpa wurde von den inzwischen auf dem Kontinent eingetroffenen Spaniern festgenommen und später umgebracht.

Der spanische Eroberer Francisco Pizarro erreichte Cusco im November 1533. Er ernannte Manco, einen weiteren Halbbruder Atahualpas, zum Marionettenkönig. Das ging ein paar Jahre gut, während derer Pizarro in unendlichem Zerstörungswahn die wunderschöne reiche Stadt Cusco – erbaut von den Inka im Grundriss eines Pumas – einreißen und durch koloniale Gebäude ersetzen ließ. Das gelang ihm nur bis zu einem gewissen Grad, da ihn die berühmte fugelose Bauweise der Inka mit ineinander verzahnten Blöcken einen Strich durch die Rechnung machte. So stehen heute noch zahlreiche der Kolonialgebäude und selbst Kirchen auf originalen Inkafundamenten. Sämtliches Gold und Silber ließ Pizarro einschmelzen und größtenteils ins Mutterland schaffen.

1536 rebellierte der Marionettenkönig dann doch, um die Spanier mit einer Armee von rund 100.000 Soldaten aus seinem Reich zu vertreiben. Doch es wurde nur ein verzweifelter letzter Ausbruch, in einer gewalttätigen Schlacht bei Sacsaywamán von den Spaniern niedergeschlagen. Manco Inka musste fliehen, zunächst nach Ollantaytambo und schließlich in die Dschungelfestung Vilcabamba (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Ort in Ecuador). Nachdem Cusco sicher zurückerobert war, wandten die Spanier ihr Interesse der von ihnen neugegründeten Hauptstadt Lima zu und Cusco verschwand vom Radar des Weltinteresses – bis 1911 Machu Picchu „wiederentdeckt“ wurde und Cusco von der ruhigen Provinzstadt zum Angelpunkt peruanischen Tourismus’ katapultierte.

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