Cusco, Peru – Die fugenlose Steinmetzkunst der Inka

700 Platten massiven Golds zu je zwei Kilogramm sollen die Wände bedeckt haben. Im Garten standen lebensgroße Maispflanzen, Lamas mit Hirten, Babys, Altäre, eine Sonne, Bäume und Sträucher, Vögel, Schlangen und Schmetterlinge – alles aus purem, massivem Gold und Silber, verziert mit Edelsteinen. Qorikancha mit all seinen Kunstschätzen war der reichste Tempel im ganzen Inkaimperium gewesen. Dann kamen die Spanier, raubten die Schätze, schmolzen sie ein und schleiften die Mauern, soweit es ihnen gelang. Den Steinbruch benutzten sie, um auf den Tempelmauern Kirche und Kloster Santo Domingo zu bauen und verputzen alles unauffällig. Der Tempel geriet in Vergessenheit und bis 1950 war Santo Domingo eine ganz normale Kirche und Konvent. Dann erschütterte ein gewaltiges Erdbeben Cusco, und Santo Domingo stürzte in sich zusammen. Einige Mauern blieben jedoch stehen, und die beschämende Erkenntnis lautete: Es handelte sich um die Inkamauern, die man damals nicht hatte niederreißen können.

Heute ist Santo Domingo / Qorikancha – auf Quechua „Goldener Hof“ – ein Museum, eine eigenartige Kombination aus Inkabaukunst, Kolonialkirche, sakralem Museum, Kunstausstellung und Blumengarten. Die Inkamauern wurden vom Putz befreit und sind in ihrer ganzen Perfektion zu bestaunen. Die Steinblöcke sind so haargenau gearbeitet, dass sie völlig ohne Mörtel zusammengesetzt werden konnten. Nicht ein Blatt Papier kann man zwischen die Fugen schieben. Sämtliche Linien haben Sturz. Fenster und Türen verjüngen sich nach oben, selbst die Mauern als solches streben aufeinander zu. Zusätzlich sind einzelne Böcke ausgestellt, die die höchst komplizierte Verzahnung der Steine darstellen. Mit der Vernichtung der Inkakultur ist auch das Wissen über derart erdbebensichere Bauweise verloren gegangen. Bei dem Erdbeben von 1950 verschob sich lediglich ein Stein in den Restinkamauren um einige Millimeter.

Zehn absolut lohnenswerte Nuevo Soles bringen uns in diese bizarre Tempel-Kirche. Die ausgestellten kolonialen Ölgemälde und klerikalen Gewänder darf man nicht fotografieren. Aber wen stört das schon angesichts der zum Staunen mit offenem Mund verleitenden präkolumbischen Steinmetzkunst?

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.